Interview: Polizeipräsident Thomas Köber betont, dass Mannheim trotz zuletzt schwerer Straftaten kein Kriminalitätsproblem hat
„Kein Hort des Verbrechens“
Von unserem Redaktionsmitglied Timo Schmidhuber
In Mannheim scheint zurzeit eine spektakuläre Straftat die nächste zu jagen. Mit Polizeipräsident Thomas Köber sprachen wir über Kriminalstatistiken, das subjektive Sicherheitsgefühl und über die Frage, was die Polizei tun kann.
Herr Köber, man hat im Moment das Gefühl, dass in Mannheim ständig irgendwo eingebrochen wird. Mitten in der Stadt kämpfen zwei Banden mit Waffen gegeneinander. Und in der Neckarstadt wird ein Ladenbesitzer erstochen. Was ist los in Mannheim?
Thomas Köber: Das Einzige, was wir als Polizei machen können, ist professionell zu reagieren. Nach der Auseinandersetzung am Marktplatz haben wir mehrere Tatverdächtige festgenommen, und auch beim Tötungsdelikt in der Neckarstadt haben wir einen dringend tatverdächtigen Mann. Bei den Einbrüchen ist es so, dass wir 2014 in Mannheim im Vergleich zum Vorjahr gerade mal sechs Fälle mehr hatten. Im Land liegt der Zuwachs bei knapp 20 Prozent.
Statistik ist die eine Sache, das Gefühl der Menschen eine andere. . .
Köber: Ich kann diese Gefühle gut verstehen. Es gibt einen Unterschied zwischen der objektiven Lage und dem subjektiven Gefühl - und solche Vorfälle wie zuletzt stärken natürlich das subjektive Gefühl, nicht sicher zu sein. Man kann da aber letztlich nur versuchen, die Debatte auf eine sachliche Ebene zu ziehen. Auch nach dem Mord an der Studentin Gabriele Z. und einer Vergewaltigung im Jungbusch hatten viele das Gefühl, die Zahl der Vergewaltigungen sei gestiegen. Dabei ist sie seit Jahren gleich.
Was sagen Sie den Menschen, die nach den jüngsten Vorfällen Angst haben?
Köber: Niemand will solche Delikte erleben. Mit Blick auf die Sicherheit in Mannheim müssen wir aber untersuchen, ob solche Taten strukturelle Ursachen in der Stadt haben oder nicht.
Und zu welchem Ergebnis kommen Sie da?
Köber: Nehmen wir die Auseinandersetzung auf dem Marktplatz. Da handelte es sich um zwei rivalisierende Gruppen aus dem Türsteher-Milieu. Die eine kommt aus Ludwigshafen, die andere aus dem Großraum Frankfurt. Die haben sich zu einer Aussprache getroffen, und sie haben das in Mannheim getan, weil man hier gut essen kann. Dann lief die Aussprache aus dem Ruder. Das war nicht vorhersehbar. Die Sache in der Neckarstadt war eigentlich ein Überfall, der schief lief - auch das war so nicht vorhersehbar. Aber nochmal: Wir haben in beiden Fällen gut reagiert. Wir waren nach dem Tötungsdelikt in der Neckarstadt mit 17 Streifenwagen im Einsatz und hatten den Verdächtigen nach einer halben Stunde. Auf dem Marktplatz waren wir mit 25 Streifenwagen vor Ort.
Die Polizei muss aber nicht nur reagieren, sondern möglichst auch Verbrechen verhindern.
Köber: Wie soll man die genannten Verbrechen verhindern? Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppen hätte kein Streifenwagen verhindern können, und wir können ja auch nicht in jedem Laden stehen. Deshalb müssen wir durchleuchten, wie es zu einer Tat kommt. Jedes Tötungsdelikt ist schlimm, aber die Zahl der Tötungsdelikte jedes Jahr in Mannheim ist gering. Und mit unseren Ermittlungen bei Einbrüchen haben wir erreicht, dass ihre Zahl kaum angestiegen ist und wir landesweit eine vergleichsweise hohe Aufklärungsquote haben.
Ist Mannheim Ihrer Ansicht nach eine sichere Stadt?
Köber: Wir hatten vorhin über objektive Sicherheit und subjektives Sicherheitsgefühl gesprochen. Wir müssen versuchen, die Lücke, die dazwischen oft klafft, zu schließen. Denn im bundesweiten Vergleich von Großstädten mit ähnlicher Einwohnerzahl hat Mannheim einen soliden Platz im Mittelfeld. Mannheim ist keinesfalls der Hort des Verbrechens.
© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 04.03.2015
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