Szene 6: Nach Vorlage von Linus Rosenlöcher, nachdem Mannheims Seegert im Fallen zunächst mit der Hand zum Ball geht, trifft Omar Sijarić zum 3:1 für Aue. Schiedsrichter Tobias Schultes gibt den Treffer zunächst, nimmt ihn nach einiger Zeit jedoch wegen einer vermeintlichen Abseitsposition zurück. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]
Babak Rafati: Eine sehr komplexe Szene auch für Experten. Zum Zeitpunkt des Zuspiels von Rosenlöcher steht Sijaric zunächst in Abseitsposition. Der Ball wird nach dessen Zuspiel von Seegert auf dem Weg zu Sijaric berührt, der dann auch zum Ball läuft und somit ins Spiel eingreift. Die vorige Berührung von Seegert erfolgt mit dem Arm – und das absichtlich -, weil der Arm die Körperfläche vergrößert, sodass zu der Abseitsposition des Angreifers ein strafbares Handspiel des Verteidigers folgt, natürlich in der zeitlichen Reihenfolge. Diese Hand-Berührung, völlig irrelevant, ob beabsichtigt oder nicht beabsichtigt, hebt die Abseitsposition des Angreifers wegen der letzten Berührung nicht auf. Somit gilt nicht (!) der Grundsatz: Der Ball wurde zuletzt von einem Verteidiger berührt. Wenn ein Spieler den Ball abfälscht oder abwehrt, wird diese Berührung bezüglich der Abseitsentscheidung nicht gewertet. Die Relevanz kommt erst dann zur Anwendung, wenn der Ball vom Verteidiger kontrolliert gespielt wird, d.h. Kontrolle über den Raum, die Situation und den eigenen Körper und unbedrängt. Folglich würde im Sprachgebrauch nur ein bewusstes Spielen des Verteidigers eine Abseitsposition aufheben, was im Regelwerk mit dem Begriff Kontrolle definiert wird. Damit wäre die Abseitsfrage geklärt. Die letzte maßgebliche Berührung bezüglich der Bewertung der Abseitsposition erfolgt durch einen Angreifer! Der anschließende Treffer von Sijaric darf somit wegen Abseitsposition nicht anerkannt werden.
Allerdings hätte es für das Handspiel von Seegert einen Freistoß und die gelbe Karte geben müssen, weil das Handspiel als Vergehen nun mal vorliegt und die Abseitsposition keinen Freifahrtschein für weitere Vergehen ausstellt. Zudem hätte Sijaric die Möglichkeit gehabt, nicht zum Ball zu laufen. Dass er es schließlich tut, ist nicht maßgeblich bei der Bewertung des strafbaren Handspiels, sodass dieses sanktioniert werden muss. Bei der Kartenfrage muss folgendes beachtet werden: Dadurch, dass durch die Abseitsposition keine Torchance genommen wird, weil das Spiel ja sonst unterbrochen werden hätte müssen, wird die vermeintlich offensichtliche Torchance nicht als Torverhinderung gewertet, sodass es nicht die rote Karte, sondern lediglich die gelbe Karte hätte geben müssen. Eine richtige Entscheidung, den Treffer nicht anzuerkennen, aber eine Fehlentscheidung das Spiel wegen Abseits mit einem Freistoß für Mannheim fortzusetzen. Stattdessen hätte es einen Freistoß für Aue geben müssen sowie die gelbe Karte gegen Seegert.
Szene 7: Bei einer Ecke für Mannheim geht Marvin Stefaniak (Aue) in Volleyball-Manier zum Ball, einen Elfmeter gibt Schultes jedoch nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]
Babak Rafati: Nach einer Ecke verpassen einige Spieler den Ball, und deshalb verschätzt sich Stefaniak, der womöglich nicht damit rechnet, an den Ball zu kommen. Deshalb ist er plötzlich völlig orientierungslos und hat den Blick nicht mehr vollständig zum Ball, weil er irgendwie noch schnell ausweichen will, bekommt allerdings den Ball mit mehreren Kontakten in Volleyball-Manier an die Arme. Da der Ball lange in der Luft war und die Arme zu Hilfe genommen werden, liegt ein absichtliches Handspiel vor, sodass es einen Elfmeter für Mannheim hätte geben müssen. Eine klare Fehlentscheidung, diesen zu verweigern.
Quelle:
https://www.liga3-online.de/strittige-szenen-am-22-spieltag-die-analyse-von-babak-rafati-8/