Springtoifel hat geschrieben: [...]
Meinst du, das Zuschaueraufkommen wird auch im Bezug auf das Fernsehen sinken? Kann ich mir irgendwie (leider) nicht vorstellen. Die Konsumpaläste, ähm die Stadien werden wohl eh nach und nach zu "Fußvolk-freien"-Stadien, für die gibt es Sky. Das schöne ist, man hört landauf und landab fast jeden Fussballfan über den DFB / die FIFA / die UEFA meckern. Nur wird durch meckern nichts geändert, diesen Leuten (DFB,...) tut es nur an einer Stelle weh und das ist der Geldbeutel.
Da ich mich mit dem italienischen Fussball nicht sehr gut aus, welche Entwicklungen gibt es denn dort, an denen sich sowas abzeichnen tut?
Nun, dass Problem ist vielschichtiger als man denkt.
VoraussetzungenEs ist schon traurig, wenn man mal hinter die Kulissen guckt. Die Italiener haben an sich viel bessere Rahmen-Bedingungen als ihre deutschen Altersgenossen und Jugendlichen, dass z.B. die Kiddies im frühen Alter sich für den calcio (Fußball) interessieren und auch praktizieren (!), ohne gleich im Verein zu sein, (auf fast jedem Hinterhof in den Städten stehen Bolzplätze mit Toren zur Verfügung, (calcio a 5), was natürlich rege genutzt wird. Da haben es in Deutschland die Jungs und Mädels wesentlich schwerer, einen soliden Zugang zum Fußball zu finden. Weil zum einen in Deutschland das Freizeitangebot der Konkurrenzsportarten (Basket, Handball, Volley, Rugby, Am. Football, Schwimmen, die ganzen Kampfsportarten, Hockey, etc.), u.a. von den Schulen massiv gefördert, in Verbindung mit der diesbezüglichen Infrastruktur (Halle, Vereine) um ein vielfaches größer, besser und wesentlich kostengünstiger als in Italien ist. Zudem sind die meisten wenige Bolzplätze hierzulande meist in der Hand von den sogenannten Migranten, was zusätzliche viele Einheimische und andere ausländische Kiddies abhält, den Bolzplatz regelmäßig zu nutzen. Dies ist aber eher ein untergeordnetes Problem, was ich jetzt nicht tiefer hier vertiefen möchte.
Eintrittspreise, GehälterTatsache ist, dass es trotz der besseren Voraussetzung in Italien bezüglich des Fußballs, die Serie A in Verbindung mit dem Ich mach-ja-eh-nix-Staat, die Kommerzschraube total überdreht hat. Das fing bereits in den 90ern an mit den total überhöhten Eintrittspreisen. 93/94 zahlte man für das billigste Kurventicket knapp 38.000 Lire (knapp 37 Mark), dann die überzogen Spielergehältern..., was heute heute in der Bulli mittlerweile normal ist, war Anfang der 90er in Bella Italia bereits Gang und Gäbe...
Sky-TVDer wichtigste Aspekt war aber, dass der Fußballsport im Free-TV nicht mehr zugänglich war, ähnlich wie bei uns im Eishockey (eine attraktive Sportart wurde durch das Bezahlfernsehen an den Rand gedrängt), musste man schon Anfang der 90er für Serie A im TV bezahlen, was die bittere Konsequenz hatte, dass man zwar viele Mitglieder fürs Pay-Tivu gewann, aber ebenso eine große Masse (und das ist der entscheidende Unterschied zu Deutschland) ausschloss, sie am beliebten Ligafußball nicht mehr teilhaben ließ...Es ist ein schleichender Prozess, der nicht sofort kommt, aber gerade für Kundenneugewinnung, sprich für viele Kiddies, absolut tödlich ist.
Soziale Krise = GewaltDas ganze potenzierte sich dann mit der Einführung des Euros, die ja den ganzen Mittelmeerraum ziemlich hart traf. Besonders Italien hatte darunter zu leiden, weil die Lebensmittelpreise (eine Kultur, die bis dato ohne Fertiggerichte auskam) überproportional explodierten, während im Calcio weiterhin großzügig Millionärsgehälter bezahlt wurden. Während ganze Industrien (Bekleidung, Schuhe) eingestampft, Millionen von Arbeitsplätze nach China, oder sonst wo ausgelagert wurden, ist der italienischen Mittelschicht schwer zugesetzt worden, ach so: Hartz IV gibt es dort unten nicht. Wer seinen Job verliert, und nach 12 Monaten immer noch keinen Job hat, der hat fertig, nur mal so nebenbei...
Die Kluft zwischen reich und arm, gerade was die Tifosi und den Fußball betrafen kam in Unordnung, was schließlich in Gewalt und Ausschreitung von vielen organisierten Fangruppen mündete. Während die einen ihren sozialen Frust hinter dem Deckmantel des Vereinsschals auf der Straße gegen den Staat freien Lauf ließen, zog eine andere große Anzahl die Quittung, und blieb dem Stadionbesuch fern. Ich kenne selbst einige gute Freunde in Rom, die, nachdem sie jahrzehntelang eine Dauerkarte besessen hatten, die Nase jetzt gestrichen voll haben.
Gekaufte MeisterschaftenHinzu kommen noch die maroden Stadien, ein Überbleibsel aus den 90ern, was wohl eher eine untergeordnete Rolle spielt, aber irgendwie symptomatisch ist. Sehr viel schwerwiegender die Korruption, die den vielen Fans eine weiteren Schlag versetzte. Die gekauften Meisterschaften von Juve, Milan und Inter wiegen schwer und ist so schnell nicht mehr gut zu machen.
Hausgemachte Probleme, Stichwort Talente Dann kommen natürlich die hausgemachten Probleme vieler Vereine auch zum Tragen. Während man in Deutschland seit der desaströsen EM 2000 die Lehren gezogen hat, und den Jugendstil nach und nach wieder einführte, tun sich die vielen und guten Talente in Italien sehr, sehr schwer. Warum möchte man fragen...? Ich kenne die Machenschaften persönlich nur beim AS Rom, doch die Roma ist sicherlich kein Einzelfall. Gute Talente (sicherlich nicht alle) müssen bezahlen, um überhaupt in einen großen Klub reinzukommen. Das ist schon der helle Wahnsinn, was da teilweise abläuft, zeigt aber, warum so wenig lokale Spieler den Weg in die erste Mannschaft schaffen. Stichwort Totti, und der ist auch schon über 30 Jahre alt. wie gesagt, es gibt viele gute Talente, aber die Förderung bis zum Spitzenfußball ist viel zu kompliziert und korrupt...
Fazit: Die Fans bleiben immer mehr weg, die Jugend ist mehr als fußballmüde, die große Masse des arbeitenden Volkes distanziert sich immer mehr von dem realitätsfernen Millionärskick (gefördert durch Bezahl-TV für eine exklusive Fußballgesellschaft), gut dass es den Süden Italiens gibt, sonst hätte Juve schon längst keine Fans mehr, es kommen kaum noch Talente nach, die Squadra Azzurra leidet, marode Stadien, es tummeln sich meist nur noch Alt- und Durschnitt-Stars aus dem Ausland in der Serie A, gekaufte Meisterschaften, und, und, und ...
Dennoch sollte man jetzt nicht meinen, der italienische Fußball sei gänzlich am Boden, das Niveau ist immer noch beachtlich hoch, aber keine Frage, die Richtung ist eindeutig, Tendenz weiter fallen, die Kommerzblase ist aber geplatzt, nur einschneidende Reformen können den freien Fall stoppen, allein der Glaube dazu fehlt mir...mal sehen, wann die Bulli-Blase platzt, entscheidend wird sein, wie lange sich das Free-TV in Deutschland halten kann...
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