Ein Funken HoffnungDie große Zeit des SV Waldhof Mannheim liegt mittlerweile mehr als 20 Jahre zurück, der Verein ist nach Insolvenz und Lizenzentzug in die Fünftklassigkeit abgestürzt. Eine Führungsriege mit neuen Kräften und alten Bekannten ist angetreten, um dem Klub neues Leben einzuhauchen.
Gewarnt haben sie ihn. "Denk an Deinen Namen", haben sie gesagt. Doch Steffen Künster wollte nicht auf seine Freunde hören. Der 47-Jährige übernahm allen Bedenken zum Trotz im Dezember 2010 den SV Waldhof Mannheim als Präsident. Der Verein, dem Künster nun vorsteht, hat in der jüngeren Vergangenheit vor allem durch Schlagworte wie "Zwangsabstieg", "Lizenzentzug" und "Insolvenz" den Weg in die öffentliche Wahrnehmung gefunden, die mahnenden Worte aus seinem Umfeld kamen also nicht von ungefähr. Doch Künster wollte es so. "Der Waldhof", sagt der gebürtige Mannheimer, "kann in den Profifußball zurückkehren. Der Weg dorthin wird viel Zeit in Anspruch nehmen, aber es ist möglich. Und diese Aufgabe hat mich gereizt."
Dass die erste Etappe auf dem Weg zurück über einen viereinhalb Millionen Euro hohen Schuldenberg führt, ist nur eine Widrigkeit, die Künster bei seinem Amtsantritt vorfand. Durch die im Sommer 2010 verlorene Lizenz spielen die Schwarz-Blauen erstmals in ihrer Geschichte fünftklassigen Fußball. VfL Kirchheim/Teck statt Bayern München, die Oberliga ist in Mannheim bittere Realität geworden. "Hier ist jahrelang mehr Geld ausgegeben als eingenommen worden", analysiert Künster die Lage trocken und hat eine entwaffnend einfache Maßnahme für eine bessere Zukunft parat: "Das wird es nun nicht mehr geben." Der Geschäftsführer einer Werbeagentur will den Verein erst konsolidieren und dann wieder nach oben führen. Fünf Jahre gibt Künster sich und dem Verein Zeit. "Dann wollen wir in der dritten Liga spielen." Geduld ist also gefragt in der Kurpfalz.
Mehr als 2000 Fans kommen im Schnitt
Diese Geduld hat nicht jeder, dem der SV Waldhof am Herzen liegt. Günter Sebert könnte man für einen dieser Ungeduldigen halten, wenn man ihn reden hört. "Neulich haben wir in Neckarrems gespielt", sagt Sebert leise. Er senkt den Blick, schüttelt den Kopf und schiebt nach: "Unglaublich ..." Sebert, der wie Künster in Mannheim geboren wurde, ist eine der Legenden des Vereins und hat die besten Zeiten miterlebt. Der heute 62 Jahre alte Mann spielte knapp 600 Mal für den SV Waldhof, war in der 1. Bundesliga in den 80er Jahren zunächst Spieler und später auch Trainer des Klubs. Seit Januar 2009 arbeitet er als Sportlicher Leiter beim heutigen Oberligisten.
"Die Tradition ist ein Rückhalt, aber sie ist auch eine Verpflichtung", sagt Sebert. Der Geschichte des Klubs ist es zu verdanken, dass im Schnitt 2300 Fans zu den Heimspielen in das 27.000 Zuschauer fassende Carl-Benz-Stadion kommen. Typen wie der volksnahe aber politisch umstrittene Trainer Klaus Schlappner prägten den SV Waldhof, Spieler wie Jürgen Kohler, Maurizio Gaudino, Christian Wörns, Fritz Walter der Jüngere sowie die Brüder Bernd und Karlheinz Förster begannen ihre Laufbahnen in Mannheim. Die Zeit, als die "Waldhof-Buben" 1985 im zweiten von sieben Jahren in der Bundesliga nur wegen des schlechteren Torverhältnisses den Uefa-Pokal verpasste, im selben Jahr auswärts mit 2:1 die Bayern besiegte und 1990 kurz vor dem Abstieg das Derby gegen Kaiserslautern mit 4:0 gewann, sie gibt dem Waldhof seine Faszination. "Doch ewig machen die Fans diese Oberliga auch nicht mit", sagt Sebert. "Wir müssen da raus, so schnell wie möglich." Allerdings weiß auch er, dass sich der Verein nur kleine Schritte leisten kann.
Die Rumpftruppe spielt um den Aufstieg
Immerhin, der SV Waldhof ist auf einem guten Weg. Die Mannschaft ist derzeit Tabellenzweiter, der Konkurrent um Platz eins heißt FC Nöttingen, ein Klub aus einem Ort zwischen Pforzheim und Karlsruhe, in dem 2500 Menschen leben. Sechs Punkte Rückstand hat Waldhof zwar, aber auch ein Spiel weniger ausgetragen und am Freitag (15.04.11, 19 Uhr) bietet sich der Mannschaft die große Möglichkeit mit einem Heimsieg gegen Nöttingen den Abstand weiter zu verkleinern.
Im August war ein solcher Saisonverlauf noch undenkbar. Durch den Lizenzentzug versuchte die Klubführung händeringend, die teuren Spielerverträge der alten Mannschaft loszuwerden. Aus dem Nichts musste Sebert mit dem neuen Trainer Reiner Hollich eine Mannschaft aus dem Boden stampfen. Mit vielen hoffnungsvollen Talenten aus der eigenen Reserve kämpft Waldhof nun unerwartet aussichtsreich um den Aufstieg in die viertklassige Regionalliga und nennt dabei die beste Defensive und den zweitbesten Angriff sein Eigen. Außerdem stehen die A-Junioren des Vereins vor dem Aufstieg in die Bundesliga, die B-Junioren spielen bereits im Oberhaus. Ein Funken Hoffnung also dort, wo vor wenigen Monaten noch alles in Scherben lag.
Dietmar Hopp ist Gönner und Gläubiger zugleich
Mit Präsident Künster, Sportchef Sebert und Trainer Hollich sind drei gebürtige Mannheimer am Werk. "Mannemerisch", der Dialekt der Region, ist wieder Amtsprache beim SV Waldhof. Doch es gibt noch jemanden außerhalb der Stadtgrenzen, dessen Wort Gewicht hat: Dietmar Hopp. Der Mäzen von 1899 Hoffenheim soll mit dem vorherigen Präsidium gar über eine Fusion der beiden Vereine nachgedacht haben. Immer wieder pumpte der Milliardär Geld in den Klub, bis er sich schließlich mit Künsters Vorgänger Mario Nöll überwarf. Das von Hopp finanzierte Jugendzentrum am Mannheimer Alsenweg machte aus Hopp auf der einen Seite den größten Gönner des Vereins - doch zugleich ist er heute dessen größter Gläubiger.
Wie er sagt, sprach Präsident Steffen Künster bereits mehrmals mit dem Hoffenheimer Mäzen. "Anfangs gab es nur wenig Kontakt, er hat sich wohl erstmal aus der Ferne angeschaut, was das neue Präsidium so macht. Aber mittlerweile setzt er Hoffnungen in uns und er kommt uns sehr entgegen." Durch Hopps Jugendzentrum und das bundesligataugliche Carl-Benz-Stadion hat der SV Waldhof Voraussetzungen, von denen viele Zweitligisten nur träumen können. Viele Fans sehen die Abhängigkeit von Hopp, der für die Traditionalisten unter den Anhängern ohnehin ein Feindbild ist, nicht so gerne. Künster wiegelt ab: "Herr Hopp hätte den Waldhof nicht unterstützen müssen, er wollte es. Denn er ist ein Fußballverrückter. Ohne ihn wäre das Aus für den Verein definitiv gekommen."
"Eine zweite Insolvenz darf es nicht geben"
Seine Arbeit fasst Künster vor allem unter einen Leitspruch: "Wir haben eine Insolvenz hinter uns - eine zweite darf es nicht geben." Doch es reicht nicht, nur die seit Jahrzehnten fortlaufende Selbstzerstörung aufzuhalten. Steffen Künster muss den Verein dahin bringen, wo er nach Meinung seiner Anhänger hingehört: in den Profifußball. Nur dann könnte es passieren, dass seine Freunde einmal das sagen werden, was er gerne hören möchte: Es war richtig, im Dezember 2010 Präsident des SV Waldhof Mannheim geworden zu sein.
Von Chaled Nahar
Stand: 14.04.2011, 08:00
http://www.sportschau.de/sp/sieglos/new ... aldhof.jsp
Nicht nach hinten, nur nach vorne geht der Blick. Waldhof in Liga 2.