Fußball: Der neue Waldhof-Präsident Steffen Künster zieht eine erste Bilanz und geht die vielen Baustellen beim Traditionsklub offensiv an
"Sind nicht Hoffenheims kleiner Bruder"
Von unseren Redaktionsmitgliedern M. Stevermüer, T. Hof und A. Müller
Mannheim. Er ist der neue Hoffnungsträger des tief gefallenen SV Waldhof: Steffen Künster, seit Dezember Präsident des Mannheimer Traditionsvereins, spricht im Interview über die laufende Sanierung des Klubs, das Verhältnis zu Dietmar Hopp, die Image-Kampagne und die sportlichen Ziele des derzeitigen Fußball-Oberligisten.
Herr Künster, Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Was überwiegt? Der Spaß oder die harte Arbeit?
Steffen Künster: Beides. Aber das gilt nicht nur für mich, sondern für das gesamte Team. Wir haben alle hart gearbeitet und viel von unserer Zeit geopfert. Aber das haben wir gern gemacht, weil wir die Erfolge sehen und uns über die Unterstützung freuen. Wir spüren die Aufbruchstimmung im Klub.
Wie zufrieden sind Sie mit den Oberliga-Fußballern?
Künster: Ich bin glücklich darüber, dass sie wieder zurück im Aufstiegsrennen sind. Doch ich schaue auch auf den Nachwuchs. Die A-Jugend kann in die Bundesliga aufsteigen, die B-Jugend spielt bereits in dieser Liga. Wir sind erfolgsverwöhnt.
Welche Verbindlichkeiten drücken den SVW derzeit?
Künster: Der Verein ist mit 4,5 Millionen Euro verschuldet. Sehen wir von den langfristigen Verbindlichkeiten einmal ab, dann wollen wir den Klub bis zum Ende der Saison 2011/2012 entschuldet haben. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen.
Wie soll das gelingen?
Künster: Die Kosten müssen gesenkt und neue Sponsoren gewonnen werden. Wir müssen aber auch viel dafür tun, unsere aktuellen Partner zu halten. Einige beschäftigen sich immer mal wieder mit dem Absprung, nachdem das Image in den vergangenen Jahren gelitten hat. Und klar ist auch, dass es immer schwieriger wird, Sponsoren bei Laune zu halten, wenn wir in der Oberliga spielen. Wir brauchen sportlichen Erfolg für solide Finanzen und werden sicher nichts mit irgendwelchen Krediten finanzieren. Das gab es in den vergangenen Jahren beim SVW. Und wir alle wissen, wo das hingeführt hat.
Sie haben die Image-Probleme des Klubs in der Stadt und auch in der regionalen Wirtschaft angesprochen. Wie sind Sie dieses Problem angegangen?
Künster: Das Thema hat zwei Aspekte: Es gibt die Sponsoren, deren Vertrauen wir zurückgewinnen mussten. Da galt es, Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber wir merken, dass sie die positive Entwicklung unter dem neuen Präsidium sehen. Das Zweite ist: Wir wollen wieder permanent bei den Menschen in der Region präsent sein und ihnen zeigen, was den Waldhof ausmacht. Die Plakate zu den Spielen sind schon auf eine positive Rückmeldung gestoßen.
Planen Sie auch eine Präsenz in den sozialen Netzwerken?
Künster: Das gehört auch zu unserer Image-Kampagne. Wir haben eine eigene Facebook-Seite, wollen bald twittern und unseren Web-Auftritt überarbeiten. Dann soll es auch einen Live-Ticker geben.
Wird es das Benefizspiel gegen den designierten Meister Dortmund geben?
Künster: Ja, außerdem werden wir Freundschaftsspiele gegen Hoffenheim, Zweitliga-Aufsteiger Braunschweig und einen weiteren namhaften Klub aus dem Norden bestreiten. Die Zusage dieser Vereine war kein Problem, weil der Waldhof immer noch die Menschen begeistert.
Dietmar Hopp hat dem SV Waldhof ein Darlehen über 3,2 Millionen Euro gegeben. Wann muss der SVW diese Summe zurückzahlen?
Künster: Wir werden ganz bestimmt eine Lösung hinbekommen, wonach uns diese Summe bei künftigen Lizenzierungsverfahren keine Schwierigkeiten machen würde. Bei der Mitgliederversammlung am 18. April werden wir das Ergebnis unserer Gespräche präsentieren.
Wie ist denn Ihr persönliches Verhältnis zu Herrn Hopp?
Künster: Wir haben ein unheimlich tolles Verhältnis. Die Gespräche mit ihm waren immer positiv, konstruktiv und geprägt von einem warmen, herzlichen Miteinander. Er wünscht dem Waldhof wirklich alles Gute und hofft, dass wir schnellstmöglich nach oben kommen.
Was ist dran an den Gerüchten, dass der Klub eine Regionalliga-Saison nicht finanzieren könnte?
Künster: Ich kann versprechen, dass wir das könnten. Wir haben seit meiner Amtsübernahme schon einiges bewegt. Es ist uns gelungen, das erste positive Halbjahresergebnis des SVW seit langer Zeit auf den Tisch zu legen. In der Regionalliga würden wir mit einem Etat von 2,1 Millionen Euro planen, der so gut wie gesichert ist. In der Oberliga wäre der Etat rund 400 000 Euro niedriger.
Vor nicht allzu langer Zeit verdienten beim SVW ehemalige Bundesliga-Stars astronomische Gehälter. Wird es das wieder geben?
Künster: Solche Verträge wird es nie mehr geben. Sollten wir in diesem Jahr aufsteigen, wäre ein Durchmarsch in die Dritte Liga nicht realistisch. Dafür fehlt uns das Geld. Die Dritte Liga halten wir in fünf Jahren für möglich, auch wenn es der DFB durch die neue Aufstiegsregelung schwer macht, dahin zu kommen.
Was würde es bedeuten, wenn der SVW nicht aufsteigt?
Künster: Spielen wir ein weiteres Jahr in der Oberliga, ist der Aufstieg in der nächsten Saison Pflicht. Für die kommende Spielzeit haben wir schon den Vertrag mit Jurij Krause verlängert. Er ist eine der zentralen Figuren, weitere Gespräche folgen mit anderen Spielern.
Die TSG Hoffenheim ist als Bundesligist das Fußball-Aushängeschild der Metropolregion. Könnte sich der SVW mit der Rolle des kleinen Bruders anfreunden?
Künster: Nein, definitiv nicht. Die Marke Waldhof ist weiterhin sehr stark, auch wenn sie ein bisschen verstaubt und angekratzt ist. Mannheim als Rhein-Neckar-Metropole hat so ein großes Potenzial, dass wir es aus eigener Kraft schaffen können. Natürlich wollen wir gut mit der TSG zusammenarbeiten, aber wir sind nicht der kleine Bruder oder die Farm von Hoffenheim. Das geht überhaupt nicht, von der Tradition, den Fans und der Einstellung her.
Was nimmt bei Ihnen momentan mehr Zeit in Anspruch: der Waldhof oder Ihr "richtiger" Job?
Künster: Der Waldhof, ganz klar.
Mannheimer Morgen
13. April 201
http://www.morgenweb.de/nachrichten/spo ... 16478.html