Schlappi-Interview in der FAZ über den chinesischen Fußball
Im Gespräch: Klaus Schlappner
„Viele Spieler verfallen der Gier nach schnellem Geld“
28. Mai 2009 Klaus Schlappner - Trainer-Original mit Pepitahut, einst Vater des Erfolgs bei den Waldhof-Buben und Entwicklungshelfer. Der nun 69 Jahre alte Fußball-Lehrer war zwischen 1992 und 1995 Chefcoach der chinesischen Auswahl, gegen die das deutsche Nationalteam auf der Asienreise an diesem Freitag in Schanghai antritt. Er baute in China die Profiliga auf, brachte junge Spieler nach Europa, erhielt für seine Verdienste die Ehrenprofessorenwürde und ist bis heute in Fernost ein gefragter Berater. Vor den chinesischen Profitrainern wird er das Länderspiel diese Woche analysieren. Klaus Schlappner im FAZ.NET-Gespräch.
China ist im olympischen Sport eine Großmacht, aber auf der internationalen Bühne des Fußballs ein Zwerg. Wo liegt das Problem?
Da gibt es einige Gründe. Erstens: Schlamperei. Es wurde zu wenig an den Strukturen des Fußballverbandes gearbeitet. Bis heute gibt es kein Vereinsfundament mit breit angelegter Jugendarbeit wie bei uns in Deutschland oder woanders in Europa. Die Profiklubs gehören Unternehmen oder reichen Privatiers, die eben nur eine Mannschaft betreiben. Zweitens: Zwar sind modernste Trainingszentren und Stadien vorhanden, aber niemand weiß so recht, wie dieser perfekte Rahmen mit Leben gefüllt werden soll. Drittens: Es hapert an der Trainerausbildung. Viertens: Viele Spieler verfallen der Gier nach schnellem Geld und vernachlässigen darüber ihr Talent.
Sie haben Ende der Neunziger den Stürmer Chen Yang als ersten Chinesen in die Bundesliga zu Eintracht Frankfurt gebracht. Er konnte sich nur kurze Zeit halten.
Mein Plan war, junge Chinesen nach Europa - am besten in die Bundesliga - zu bringen und sie dort zwei, drei Jahre aufzubauen. Zurück in der Heimat hätten sie als „Hero“ eine Vorbildfunktion für die Jugend einnehmen können. 1996 hatte ich fünf Chinesen auf der deutschen Transferliste, aber kein Klub wollte sie verpflichten - aus Scheu vor dem Unbekannten. Aber ich sage Ihnen: Jeder von denen hätte locker in der Bundesliga spielen können. Im Fall von Chen Yang lag das Problem woanders. Der kam nach Frankfurt, spielte die ersten vier Monate auch toll, bis ihm falsche Freunde und sogenannte Berater den Kopf mit Dollarzeichen verdrehten. Es sprach sich nämlich herum, dass sein Landsmann Fan Zhiyi in England bei Crystal Palace mit 45.000 Dollar die Woche vollgestopft wird. Bei den Chinesen wird über Geld geschwätzt wie bei uns übers Wetter. Also dachte Chen Yang plötzlich nur noch an die Kohle, Training und harte Arbeit rückten in den Hintergrund. Er wechselte dann noch zu St. Pauli - Ende. Eine Schande, diese vergebene Karriere.
Was verdienen denn gute Spieler in China?
Auch schon bis zu einer Million Euro pro Jahr. Das ist viel zu viel. Einige Klubbesitzer strecken sich für diese Gehälter, weil sie stolz darauf sind, ähnlich hoch zu zahlen wie Vereine in Europa. Das ist ein großer Irrsinn. Es geht nur noch um Transfersummen und Gehälter, dabei müsste die Leistung im Mittelpunkt stehen.
Der chinesische Fußball ist in der Vergangenheit vor allem durch Bestechungsskandale und Wettbetrug negativ aufgefallen.
Das ist die schlechte Seite der asiatischen Wettleidenschaft. Oh, lieber Himmel, die wetten auf alles. Ob ich als Trainer zuerst aus dem Bus steige oder nicht. Und dann kommen Gier und kriminelle Energie dazu. Aber überall auf der Welt wird doch im Fußball betrogen, das haben wir doch auch schon in Deutschland gesehen. In der WM-Qualifikation 1993 mit China haben die mich mit meiner Mannschaft in Jordanien am langen Arm verhungern lassen. Da ist Kohle gegen uns geflossen, dass die Schwarte nur so krachte. Ich wollte es erst gar nicht glauben. Für die Entwicklung des chinesischen Fußballs sind Korruption und Betrug natürlich ebenso Gift. Aber ich habe gehört, dass verschiedene Personen aus dem Verkehr gezogen wurden, auch Schiedsrichter und Klubpräsidenten. Meine Hoffnung ist der Neubeginn in diesem Jahr.
Wann gibt es denn den ersten Superstar aus China bei Manchester United, Barcelona oder Milan?
In zwei, drei Jahren könnte ein Chinese bei einem deutschen Topklub eine gute Rolle spielen. Das Potential ist da, aber nur, wenn nicht der alte Schlendrian wieder einkehrt und sich die Chinesen am Riemen reißen. Ansonsten geht das Dümpeln im Fußball weiter. Es wäre schrecklich.
Reden Sie auch mit Ihren chinesischen Gegenübern so offen? Verletzten Sie durch Ihre Kritik nicht die asiatische Etikette?
Die kennen mich, ich nehme kein Blatt vor den Mund. Die kriegen klipp und klar gesagt, was Murks ist. Sie betonen auch immer, dass ich alles sagen soll. Und fragen Sie die Chinesen, was der Schlappner ihnen beigebracht hat: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Ich will ihnen ja helfen.
Der neue Nationaltrainer Gao Hongbo ist ein ehemaliger Spieler von ihnen und der jüngste Chefcoach in der Fußballgeschichte Chinas. Was erwarten Sie von ihm?
Er hat mich wiederholt in Deutschland besucht, ich habe ihn über Jahre unterstützt. Er war ein technisch versierter Spieler und einer der ersten, der versucht hat, englisch zu lernen. Er ist respektiert, war vor zwei Jahren chinesischer Meister. Ich erwarte von ihm, dass er Strukturen ohne Abstriche umsetzt, unabhängig von Lobbygruppen. Es braucht eine klare Strategie.
Drücken Sie im Spiel gegen Deutschland den Chinesen Ihre Daumen?
Ich freue mich, wenn die deutsche Mannschaft gewinnt, aber gleichzeitig die Chinesen sagen können, dass sie ein gutes Ergebnis erreicht haben. Der Nachteil eines chinesischen Sieges wäre, dass plötzlich alles wieder gut ist und der alte Trott weiterginge. Der chinesische Fußball ist wie ein Kind von mir - ich will sehen, dass er sich weiterentwickelt.
Die Fragen stellte Michael Ashelm.
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