Waldhof-Krise: Was die Aussage von Präsident Beetz wirklich bedeutet
In drei schmalen Sätzen äußert sich Waldhof-Präsident Bernd Beetz erstmals zum Absturz auf einen Abstiegsplatz. Wie fest sitzen Trainer Rehm und Sportchef Schork noch im Sattel?
Am Sonntag brach auch der Präsident sein Schweigen zur eskalierenden Krise beim SV Waldhof. Aus dem fernen New York ließ Bernd Beetz drei Sätze übermitteln, die man ohne große Interpretationskunst in die Richtung werten konnte, dass es bei einer weiteren Enttäuschung am Sonntag (13.30 Uhr) im Schlüsselspiel gegen den Tabellenletzten MSV Duisburg zu drastischen personellen Konsequenzen kommen könnte. Was im Negativfall die Jobs von Sportchef Tim Schork und Trainer Rüdiger Rehm betreffen würde.
„Die aktuelle Situation ist dramatisch und wir sind mit den Leistungen und der Tabellensituation natürlich alles andere als zufrieden“, teilte Beetz mit. Das Vertrauen in die sportliche Leitung um Schork und Rehm sei zwar „weiterhin uneingeschränkt vorhanden“, aber: „Wir müssen jetzt ganz schnell Punkte holen, um da unten rauszukommen. Jetzt ist jeder Einzelne maximal gefordert, alles abzurufen, was in ihm steckt.“ Das könnte man ein verschlüsseltes Ultimatum nennen.
Denn zwischen den Zeilen steht da: Gegen Duisburg sollte es nach fünf Spielen ohne Sieg besser wieder ein Erfolgserlebnis für den SVW geben - sonst wird Beetz wohl reagieren. Den Ernst der Lage dokumentiert auch die Tatsache, dass der Präsident und Investor nach Informationen dieser Redaktion früher als ursprünglich geplant schon am Montag aus New York nach Mannheim fliegen wird, um persönlich vor Ort die Krise zu managen.
Nach dem bitteren 0:3 in Unterhaching, als die Waldhöfer trotz eines Formanstiegs vor der Pause schon wieder als klarer Verlierer den Platz verließen, hatte sich Trainer Rehm nur zurückhaltend zur Frage der Rückendeckung von der Vereinsspitze geäußert. „Im Endeffekt sind die Ergebnisse da und wir machen unseren Job. Alles andere muss oben beredet und entschieden werden“, sagte er.
Ein folgenschwerer Rauswurf
Um die Hintergründe der Probleme in der Gegenwart zu verstehen, muss man allerdings in die jüngere Zeitgeschichte beim SVW eintauchen. Am 23. Oktober 2021 vermeldete diese Redaktion exklusiv, dass Sportchef Jochen Kientz beim SV Waldhof vor seiner Beurlaubung steht. „Die Ära Kientz geht zu Ende“ war damals zu lesen. Auch die Ursache und die Bewertung des Rauswurfs. „Die Beurlaubung von Sportchef Jochen Kientz ist von der Faktenlage und vom Zeitpunkt her ein von persönlichen Motiven getriebener Fehler.
Der Manager hat großen Anteil am sportlichen Aufwärtstrend, der den SVW ans Tor zur 2. Liga gebracht hat - und wird nur deshalb aus seinem Amt entfernt, weil er mit Geschäftsführer Markus Kompp keine belastbare Arbeitsgrundlage mehr besitzt. Es geht ums Ego, nicht um den Verein“, stand in unserem Kommentar. Und weiter: „Das gefährdet den Erfolg, in dieser Saison, aber auch perspektivisch. Andere Vereine wären froh, wenn sie auf sportliche Expertise wie die von Kientz in leitender Position zurückgreifen könnten. Der SV Waldhof opfert sie leichtfertig und unter fadenscheinigen Gründen.“ Die damals gestellte Prognose sollte sich als richtig erweisen.
Das Ende der Kientz-Geschichte ist bekannt: Der erfolgreiche Kaderplaner, zweifelsohne als Typ nicht immer einfach, wurde ein paar Tage später freigestellt. Es folgte eine üble Schlammschlacht, an deren Ende Kientz vor dem Mannheimer Arbeitsgericht de facto von dem von Präsident Bernd Beetz öffentlich erhobenen Vorwurf freigesprochen wurde, er habe einen Corona-Test manipuliert. Interne Konsequenzen aus der Affäre gab es beim SVW keine, die Machtstellung des umstrittenen Kompp gilt seitdem als unangefochten. Am Verlust der von Kientz personifizierten sportlichen Kompetenz im Verein leiden die Mannheimer allerdings bis heute.
Die Folgen dieses Versäumnisses sieht man jetzt, genau zwei Jahre später. Aus einem Top-Team der 3. Liga mit Aufstiegsambitionen ist ein verunsicherter Abstiegskandidat geworden, der nach dem 0:3 in Haching ums Überleben im Profifußball kämpft. Der Substanzverlust im Kader, seitdem der vorherige Chefscout Tim Schork im Januar 2022 den Job von Kientz offiziell übernommen hat, ist unübersehbar.
Zu wenig sportliche Expertise
Der Manager gilt als fleißiger, junger Mann, der sich voll mit seinem Job identifiziert. Und es ist auch nicht so, dass Schork kein Auge für Spieler mit Potenzial hätte. Hertha-Leihgabe Marten Winkler entwickelte sich in Mannheim zu einem potenziellen Bundesliga-Stürmer, beim ebenfalls talentierten Per Lockl kann man sich vorstellen, wie er im Mittelfeld einer funktionierenden Mannschaft das nächste Level erreicht. Das Problem ist nur: Schork fehlt das Gespür des Ex-Profis Kientz, aus den verschiedenen Puzzleteilen auch ein harmonierendes Kollektiv zusammenzufügen. Es mangelt im aktuellen Kader auf einigen Positionen wie dem zentralen Mittelfeld und dem Angriffszentrum an individueller Qualität (wohlgemerkt für Drittliga-Verhältnisse), aber auch als Gruppe ist der SV Waldhof einfach nicht homogen genug zusammengestellt.
Es ist müßig, anderthalb Jahre später darüber zu diskutieren, warum die Wahl damals auf Quereinsteiger Schork und keinen gestandenen Sportdirektor fiel. Die weit verbreitete Lesart der Personalie, nach der Kompp einen leichter zu lenkenden Mann in dieser Position haben wollte, der seinen von der Familie Beetz gestützten Machtanspruch nicht herausfordert (wie Kientz es teilweise tat), liegt nahe.
Das ist für die Beurteilung der Situation in der Gegenwart allerdings auch irrelevant: Schork muss sich an seiner Transferbilanz und am Tabellenstand messen lassen. Und da steht der SVW mit dem schwächsten Kader der vergangenen fünf Jahre auf einem Abstiegsplatz. Die Hoffnung, dass im aktuellen Personal noch viel nicht gehobenes Potenzial schlummert, hat sich nach 13 Spieltagen ebenfalls schon verabschiedet. Für Schork, das deuten die Äußerungen von Präsident Beetz an, könnte das Kellerduell gegen Duisburg den Status eines persönlichen Endspiels bekommen.
Allerdings wäre es auch maßlos ungerecht, Schork und den bisher glücklosen Trainer Rüdiger Rehm als alleinige Sündenböcke für den Absturz abzustempeln. Die Probleme reichen schon ein bisschen tiefer. Es gibt beim SV Waldhof in Vorstand, Aufsichtsrat und an der Spitze der Spielbetriebs-GmbH kaum sportliche Expertise. Ein Defizit, das spätestens mit dem Rauswurf von Korrektiv Kientz zum Problem wurde. Bestes Beispiel war die Vorsaison, als Kompp und Beetz mit flotten Sprüchen den Aufstieg als Ziel vorgaben - obwohl diese ambitionierte Vorgabe kaum von den fußballerischen und infrastrukturellen Voraussetzungen gedeckt war. Chronische Unruhe gab es gratis dazu.
Mit großer Unruhe kämpft auch der bei seiner Verpflichtung mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Trainer Rehm. Einerseits leidet der frühere Waldhof-Profi darunter, dass der Kader etliche Schwachstellen aufweist. Andererseits wiederholen sich die gleichen Fehler und Probleme immer wieder, was sicher auch dem Trainer anzulasten ist. „Wir haben im Moment eine Phase, in der wir viel Dreck fressen müssen“, formulierte Rehm in Haching. Nach den Beetz-Äußerungen weiß auch der Trainer endgültig, was die Stunde gegen Duisburg geschlagen hat.
Quelle: Mannheimer Morgen