Gedenktag: Kaufmann und Ehrenbürger sowie großherziger "Anstifter" Heinrich Vetter würde an Weihnachten 100 Jahre alt
Erinnerungen an einen großen Mäzen
Von unserem Redaktionsmitglied Peter W. Ragge
Nicht immer bewahrheitet sich, was bei Trauerfeiern, bei Nachrufen eben so gesagt wird. In diesem Fall aber schon. "Er hat sich durch seine Taten unvergesslich gemacht", sprach der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel der Familie seine Anteilnahme aus, als Heinrich Vetter im Februar 2003 starb. Heute würde der Ehrenbürger 100 Jahre alt.
Und tatsächlich: Der äußerst großherzige Mäzen, der wie kein anderer zumindest in der Nachkriegszeit Menschen und Institutionen in Mannheim uneigennützig unterstützte, ist durch seine Stiftung, durch seine Taten nach wie vor im Stadtbild, in den Köpfen und Herzen der Menschen präsent.
Wer je länger mit ihm gesprochen, zusammen mit ihm gegessen, ihn in seiner mit Kunstwerken in "Petersburger Hängung" (sprich eng Rahmen an Rahmen) überfüllten Ilvesheimer Villa persönlich erlebt hat, der kann diese beeindruckende Persönlichkeit ohnehin nie vergessen. Auch wenn er körperlich gebrechlich, ja zerbrechlich wirkte, lange von seinen Fahrern gestützt werden und dann einen Rollstuhl benutzten musste - geistig blieb er bis zuletzt hellwach. Er war ein Kaufmann der guten, alten Schule, ein geschätzter Gesprächspartner mit scharfsinnigem Humor, der andere sehr gerne an seiner Lebenserfahrung teilhaben ließ, ohne je belehrend oder gar arrogant zu wirken; er war ungemein weltläufig und belesen, stets aktuell informiert, unbeirrbar in seiner fürsorgenden Menschlichkeit, seiner Großzügigkeit, aber auch in seinen Prinzipien.
Und sein wichtigstes Prinzip war ein Satz, der so zwar auch im Grundgesetz steht, aber von Vetter vorbildlich gelebt wurde: "Eigentum verpflichtet", lautet er. Tief verwurzelt im katholischen Glauben, lebte er stets gemäß einem Satz seiner Mutter Frieda kurz vor ihrem Tod 1955: "Vergiss mir nicht, auch an die zu denken, denen es nicht so gut geht", ermahnte sie ihn - und daher blieb er persönlich ungemein bescheiden, wollte stets andere teilhaben lassen an seinem Erfolg.
Dieser Erfolg geht auf das "Kaufhaus Vetter" zurück. Es hatte seine Wurzeln in einem Ladengeschäft der Großmutter in der Schwetzingerstadt. 1926 wurde daraus das "Kaufhaus Tattersall" in M 7, 19, 1936 das elterliche "Kaufhaus Vetter" im markanten Turmhaus in N 7, 3, das nach dem Krieg 1953 - mitten im "Wirtschaftswunder" wiedereröffnet und ab 1955 von Heinrich Vetter allein geführt wurde. Ob er die damals neue Ratenzahlung gewährte, ein Großversandhaus angliederte oder Herren-Nylonhemden einführte - Vetter hatte unternehmerisches Gespür und dadurch enormen Erfolg. Sein Weitblick, sein Scharfsinn sagten ihm aber auch, wann es Zeit war, sich zurückzuziehen, weil immer mehr Filialisten die Handelswelt beherrschten. 1968 schloss er sein Kaufhaus, vermietete an den Horten-Konzern. Der baute dort neu (heute Galeria Kaufhof N 7), Helmut Horten holte Vetter als Vertrauten und Berater im Rang eines Generalbevollmächtigten an seine Seite. Das blieb er bis zum 75. Geburtstag 1985.
Stiftung als Alleinerbe
Schon als Kaufhaus-Inhaber war Vetter großzügig, wenn er um Hilfe gebeten wurde; bereits 1955 rief er in seiner Heimatgemeinde Ilvesheim ein Jugendfußball-Turnier ins Leben. Aber erst als er sich ab 1985 auf seine Vermögensverwaltung konzentrierte, trat er mehr und mehr als Kunstsammler sowie großer Gönner auch öffentlich in Erscheinung. Schon 1990 überschrieb er der Stadt seine Sammlung mit über 120 Skulpturen, die dann nach und nach entlang vom Heinrich-Vetter-Weg im Luisenpark und auf vielen öffentlichen Plätzen aufgestellt wurden.
1997 gründete er seine Stiftung, die er - da kinderlos - als Alleinerbe einsetzte, gab zu Lebzeiten aber weiter auch viele Spenden aus dem Privatvermögen. Dabei, das war sein zweites wichtiges Prinzip, bewilligte er nie den vollen Betrag, wollte er nur "Anstifter" sein, als Vorbild fungieren, andere animieren, sich ebenso zu engagieren. Und es war ihm stets wichtig zu sehen, was aus seinem Geld wird, mit den Empfängern zu sprechen, sich mit ihnen zu freuen. Als er 2001 Ehrenbürger wurde, stiftete er Laptops für Schulen - und ließ es sich nicht nehmen, sich von Zehnjährigen ihre Funktion erklären zu lassen. Selbst im hohen Alter sorgte sich Vetter um die Zukunft, hörte fasziniert zu, diskutierte mit.
Bewegende Momente
"Mein Hobby ist Mannheim", sagte er bei einer seiner letzten großen Spenden 2002 (damals für Olympia), und es waren immer sehr bewegende Momente, wenn er bei Feiern allen zuprostete, das Wort ergriff und sich auf die nächste Begegnung freute. Geblieben ist von ihm nicht allein die - mit Abstand - größte Mannheimer Privatstiftung, die sein Lebenswerk ganz in seinem Sinne weiterführt. Auch in zahlreichen nach im benannten Räumen, Sälen, Preisen, Wegen oder Plätzen lebt jener Mann fort, der für Mannheim ein Glücksfall war - aber auch in den Herzen.
Mannheimer Morgen
24. Dezember 2010