Fußball-Regionalliga Zerrissene Regionalliga
In der vierthöchsten Spielklasse spielen profihaft geführte Vereine mit lupenreinen Amateuren. Das führt zu Konflikten, die in Corona-Zeiten deutlich zu Tage treten. Nur eine Reform kann dies ändern. Von Gerold Knehr
11. November 2020, 03:01 Uhr
Von Von Gerold Knehr
Der SSV Ulm 1846 Fußball würde gerne weiterspielen, um Spielpraxis für den DFB-Pokal zu sammeln. Die TSG Balingen (rechts Torhüter Julian Hauser) ist hingegen über die Verschnaufpause im November nicht unglücklich. Foto: Matthias Kessler © Foto: . Foto: Matthias Kessler
Wie die Kesselflicker gestritten haben sich in der ersten Phase der Corona-Pandemie etliche Fußballvereine der Dritten Liga. Ein Teil der Klubs, angeführt vom SV Waldhof Mannheim, wollte die Saison abbrechen. Andere Vereine setzten darauf, die Spiele durchzuziehen. Die zweite Fraktion setzte sich durch. Anfang Juli war die Saison durchgepeitscht, der Auf- und der Abstieg entschied sich auf dem grünen Rasen und nicht am Grünen Tisch.
In der Dritten Liga sind ausschließlich Profis am Werk. Eine Stufe darunter, in den Regionalligen, sieht das ganz anders aus. Da spielen professionell geführte Klubs wie Rot-Weiß Essen, Alemannia Aachen (beide West), Energie Cottbus, Chemnitzer FC (Nordost), Kickers Offenbach oder der SSV Ulm 1846 Fußball (Südwest) neben Amateuren wie dem SSV Jeddeloh (Nord), dem TSV Rain/Lech (Bayern) oder dem FC Bayern Alzenau (Südwest). Hier treffen zwei Fußballwelten in einer Liga aufeinander, mit völlig unterschiedlichen Interessen und unter gänzlich anderen Voraussetzungen.
Die Kluft ist riesig
Der Südwesten bietet momentan das Bild einer zerrissenen Spielklasse, die Liga scheint sich selbst über ihren Status nicht im Klaren zu sein. Bei den größeren Klubs verdienen die Spieler so viel, dass sie sich und ihre Familie während der aktiven Karriere gut ernähren können. „Die überwiegende Mehrheit bestreitet ihren Lebensunterhalt mit dem Geld, das sie durch den Fußball verdient. Deshalb betreiben wir Profisport“, sagt Thomas Sobotzik, Geschäftsführer der Offenbacher Kickers. 5000 Euro im Monat sind für überdurchschnittliche Regionalligaspieler allemal drin.
Bei den „Amateuren“ in der vierten Liga ist das ganz anders. Nicht ein Spieler könne hier vom Fußball leben, das Monatssalär übersteige in keinem Fall den dreistelligen Bereich, beteuert der FC Bayern Alzenau.
Entsprechend schwer tut sich die Politik bei der Einordnung, ob es sich hier um eine Profi- oder Amateurliga handelt. Diese Einstufung ist aber wichtig. Während Profisport betrieben werden darf, muss der Amateursport derzeit ruhen. Die Landesregierungen in Hessen, im Saarland und in Baden-Württemberg sprechen der Regionalliga einen Profistatus zu. Nicht jedoch die Regierung in Rheinland-Pfalz. Sie sieht in ihren Teams TuS RW Koblenz, FK Pirmasens, Schott Mainz und FSV Mainz 05 II Amateure. Weil die nicht trainieren und spielen dürfen, ruht nun aus Gründen der Chancengleichheit die gesamte Liga. Jede andere Entscheidung hätte zu einer „massiven Verzerrung des Wettbewerbs“ geführt, argumentiert die Liga.
Martin Braun, Trainer der TSG Balingen, sieht die Zwangspause gelassen. Er gönnt seinen Spielern, die nach den vielen englischen Wochen zuletzt geschwächt wirkten, die November-Ruhe. Ob in diesem Jahr noch einmal gespielt werden kann, hängt davon ab, ob bis zum 17. November überall im Südwesten wieder trainiert werden darf. Falls dies nicht der Fall ist, wird der Spielbetrieb in diesem Kalenderjahr wohl nicht mehr aufgenommen.
Für die SV Elversberg und den SSV Ulm 1846 Fußball wäre dies fatal. Sie haben die zweite Runde des DFB-Pokals erreicht, in der sie am 22. oder 23. Dezember auf die Bundesligisten Borussia Mönchengladbach und Schalke 04 treffen. Unter normalen Umständen wären das Traumlose, Fußballfeste in den ausverkauften Heimstadien. Nun quält die beiden Regionalligisten der Albtraum, ohne Spielpraxis und ohne Fans gegen die Profis antreten zu müssen. Ulms Sportvorstand Anton Gugelfuß wusste nicht, „ob ich lachen oder heulen soll“. Der SSV 46 will nun beim DFB beantragen, das Spiel in Gelsenkirchen auszutragen und die Schalker zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Freundschaftsspiel zu „verpflichten“.
Eines hat die Corona-Krise gezeigt: Die Regionalliga muss reformiert, sprich verschlankt werden. Nur so kann die heterogene vierte Liga einheitlicher werden.
Vierte Liga mit fünf Staffeln
Fünf Regionalligen gibt es in Deutschland, jede ist anders organisiert. Hier ein Überblick über die aktuelle Lage.
Südwest Der Spielbetrieb ruht im November.
Bayern Die unterbrochene Saison 2019/20 wird fortgesetzt. Da die Winterpause vorgezogen wurde, ruht der Spielbetrieb bis März.
Nord Die Liga wird in zwei Gruppen ausgespielt. Im November ruht jeweils der Spielbetrieb.
Nordost Der Spielbetrieb ruht im November.
West Spielbetrieb läuft normal.
https://www.hz.de/sport/sport-ueberregional/fussball-regionalliga-zerrissene-regionalliga-53026894.html