von SvenZ » 12.07.2024, 20:48
RNZ, 12.07
Fußball-Weltmeister an der Bergstraße
Pierre Littbarski ist nach Hirschberg gezogen
"Mir gefällt die Freundlichkeit und Gelassenheit der Leute": Im Interview spricht er über das Leben an der Bergstraße und die deutsche Pleite gegen Spanien.
12.07.2024 UPDATE: 12.07.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden
Littbarski nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1990 mit Andreas Brehme und Lothar Matthäus. Fotos: dpa
Interview
INTERVIEW
Pierre Littbarski
Fußball-Weltmeister von 1990
Von Philipp Weber
Hirschberg. Als die RNZ Pierre Littbarski am Handy erreicht, ist der beschäftigt. Er schlägt einen anderen Zeitpunkt vor. "Rufen Sie an, ich laufe nicht weg", meint er.
Glück gehabt. Denn davongelaufen ist Littbarski vielen. Als Offensivmittelfeldspieler prägte er beim 1. FC Köln eine Ära. Krönung seiner Karriere in der Nationalelf war der Gewinn der Fußball-WM 1990.
Heute trifft man ihn auf dem Obsthof, im Edeka-Markt oder in den Weinbergen: Littbarski ist nach Hirschberg gezogen. Im RNZ-Interview spricht er über sein neues Umfeld – und erklärt, was sich im Fußball verändert hat.
Herr Littbarski, wo haben Sie das letzte EM-Spiel der deutschen Elf gegen Spanien verfolgt?
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Ich war auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa. Dort habe ich die Übertragung des Viertelfinalspiels vor Gästen moderiert.
Welche Erkenntnisse konnten Sie den Interessierten vermitteln?
Es war ein 50:50-Spiel, wie es sie früher auch gab. Es sind Kleinigkeiten, die so ein Match entscheiden. Deutschland war gleichwertig mit dem Favoriten Spanien. Ich will mich da gar nicht an dem verweigerten Hand-Elfmeter aufhängen; der war’s nicht alleine. Letztlich werden Spiele im Strafraum entschieden. Und da hatten wir ein paar Mal einfach Pech.
Wie hat es Sie denn nach Hirschberg verschlagen? Und wie lebt man als gebürtiger West-Berliner in der "Provinz"?
Na ja, mit Berlin würde ich jetzt nicht anfangen. Ich habe vorher länger in Wolfsburg gelebt (Littbarski war Trainer und Spielerbeobachter beim VfL Wolfsburg). In Hirschberg bin ich mit meiner Lebensgefährtin zusammengezogen. Dort lebt es sich angenehm! Mir gefällt die Freundlichkeit und Gelassenheit der Leute.
Haben Sie hier einen Lieblingsort?
Sehr schön ist der Marktplatz in Weinheim, aber auch die Fußgängerzone in Heidelberg. Große Freude macht es mir, mit unserem Hund in den Weinbergen spazieren zu gehen. Das ist Lebensqualität!
Haben Sie einen Bezug zu den großen Fußballvereinen der Region: Hoffenheim, Sandhausen, Waldhof?
Bei Hoffenheim war ich natürlich schon im Stadion. Mit Waldhof Mannheim verbinde ich Namen von früher. Mit Klaus Schlappner, Paul Steiner, Jürgen Kohler oder Karlheinz Förster kreuzten sich die Wege.
Ist Förster keine Stuttgarter Legende?
Ja, aber er spielte vor seiner Zeit beim VfB in der Jugend vom SV Waldhof.
Wie sehen Sie die Lage bei Waldhof?
Da gibt es einen guten Fan-Stamm. Dass man Trainer Marco Antwerpen hält, ist für mich ein Zeichen von Kontinuität.
Hat sich der Fußball im Vergleich zu Ihrer aktiven Zeit verändert?
Eine Gemeinsamkeit ist, dass technisch starke Spieler mehr Leute anlocken. Früher waren das Thomas Häßler oder Hansi Müller; heute Florian Wirtz oder Jamal Musiala. Solche Spieler schaffen Situationen, die nicht planbar sind. Das macht den Reiz des Fußballs aus, das unterscheidet ihn vom Schach!
Die heutigen Spieler sind taktisch besser geschult, aber auch eng ans Coaching angebunden. Der Trainer hat eine ganz andere Wertigkeit. Früher haben wir uns manchmal auf dem Platz darauf verständigt, uns aufzuraffen. Dass ein Team, ein Spieler das Heft in die Hand nimmt, ist heute seltener.
Welche Trainer ragen heraus?
Xabi Alonso hat Bayer Leverkusen sichtbar entwickelt. Das schafft nur, wer ein Näschen fürs Team hat. Ich bin auch überzeugt von Julian Nagelsmann. Er hat es während der EM geschafft, dass das Team von Spiel zu Spiel gedacht und gekämpft hat, ohne Egoismen. Auch bei den Wechseln lag er richtig. Und er hat mit Sandro Wagner den idealen Partner an der Seitenlinie