Groundhopping Oberliga Hamburg:
HSV Barmbek-Uhlenhorst - SV Curslack Neuengamme
Zum Jahresende sollte es mal wieder etwas Groundhopping sein und so ging es heute Mittag in das altehrwürdige Borgwegstadion. Dabei handelt es sich um die Übergangsspielstätte des Hamburger Kultclubs HSV Barmbek-Uhlenhorst. Der landläufig nur "BU" genannte Verein überbrückt dort gerade ein halbe Saison bis zur Einweihung der neuen Spielstätte in Barmbek.
Wobei der Begriff Borgweg"stadion" schon etwas hoch gegriffen ist, eigentlich handelt es sich hier um einen herkömmlichen Rasenplatz mit der ein oder anderen Stufe zum Stehen außenrum. Sitzplätze? Fehlanzeige. Das "Stadion" liegt auf dem Gelände des Hamburger Stadtparkes (flächenmäßig größer als Monaco, falls man bei Jauch mal auf dem Stuhl sitzen sollte und die Frage kommt).
Angekommen führte der erste Weg direkt an den Getränkestand. In der Reihe vor uns dann auch der nette Alkoholiker von nebenan der mit mahnenden Worten von den ehrenamtlichen Helferinnen einen Lumumba "aber mit richtigem Rum, nicht mit Amaretto" einforderte. Kurzer Blick auf den Chronometer, 14 Uhr, passt für Rum

BU ist in jeder Hinsicht Kult, ein großer Anteil dieses Kults geht auf das Konto der dort ansäßigen Supporter, die (völlig zu Recht) "Barmbeker Pöbel" genannt werden. Diesem Spitznamen versuchte der kleine aber feine Mob an Supportern dann auch über die komplette Spielzeit gerecht zu werden. Hoher Unterhaltungswert inklusive

Beispiele gefällig?
Foul eines Curslackers, Nummer 7, direkt vor dem Mob: "Ey, Schiri, immer der gleiche, immer der Siebener."
Eine Minute später, Foul eines Curslackers, Nummer 10, direkt vor dem Mob: "Ey, Schiri, immer der gleiche, immer der Zehner."
Bei eigenen Standardsituationen wird grundsätzlich bereits wenn der Ball in der Luft ist lautstark das noch nicht gefallene Tor bejubelt, wenn der Ball vom gegnerischen Team abgefangen wird erfolgt sofort die Forderung nach einem Elfmeter, egal wie fair die Klärung auch war und wie sinnbefreit die Forderung nach einem Elfmeter auch jeweils sein sollte

Eine halbe Stunde ist gespielt, der Curslacker Trainer muss wechseln und ruft seinen sich bereits länger warmlaufenden Ersatzspieler zur Bank: "Hier Witalij, geht los."
Witalij sprintet über den Platz am Barmbeker Pöbel vorbei, spontane Sprechchöre: "Klitschko, Klitschko, Klitschko."
Ganz ehrlich Leute, schaut euch das mal an wenn ihr in HH unterwegs seid. Hamburger Originale und Comey vom Allerfeinsten...
Zum Spiel:
BU ging als Tabellenzweiter gegen die im unteren Mittelfeld notierten Curslacker als deutlicher Favorit ins Spiel. Spieler die man halbwegs prominent nennen könnte waren allerdings fast keine dabei. Bei BU, immerhin Teilnehmer im diesjährigen DFB-Pokal und dort nur relativ knapp dem SC Freiburg unterlegen, ist als größter Name wohl Mohammed Labiadh zu nennen. Im Trikot von Bochum II in der Saison 09/10 auch zweimal gegen den SV Waldhof am Ball. Bei Curslack war mit Marcel von Hacht ein Spieler am Ball, den man zumindest innerhalb von Hamburg kennen kann, da er zwischenzeitlich mal vom HSV und St. Pauli gejagt wurde, zum Profi hat es aber offensichtlich doch nicht gereicht.
Die Partie zwischen Barmbek-Uhlenhorst und Curslack-Neuengamme erinnerte in der Zeit bis zur 68. Minute dann auch eher an eine Talkshow Leutheuser-Schnarrenberger versus Wieczorek-Zeul. Wohlwollend formuliert: "Ereignisarm."
Bemerkenswert alleine die Tatsache, dass BU sich als favorisiertes Team doch reichlich defensiv präsentierte und bei gegnerischem Ballbesitz inklusive abkippender defensiver Mittelfeldspieler gerne mal mit Sechser-Abwehrkette verteidigte, öfter mal was Neues.
Genannte 68. Minute bricht an, Curslack spielt sich mit schickem Doppelpass in den 16er von BU durch, Querpass in die Mitte und Beldzik netzt aus gut zehn Metern zum nicht unverdienten 0:1 für Curslack ein. Da Beldzik im TV wohl Fan von Torjubeln mit Eckfahnenkick ist, ließ er sich die Gelegenheit nicht nehmen und verpasste der unschuldigen Eckfahne einen unsanften Tritt. Wers braucht...
Aufbäumen von BU nach dem 0:1? Nullkommanull, stattdessen plätscherte die Partie bis zur Spielminute 87 lustig weiter vor sich hin. Drei Minuten vor Schluß dann ein sinnfreier langer Ball von C-N, ungeschickter Pressschlag im BU-Strafraum, dieser landet vor dem Fuß eines Curslackers der clever auf links ablegt wo sich der freistehende Witalij "Klitschko" Wilhelm nicht lange bitten ließ und aus ca. 13 Metern staubtrocken zum 0:2 einnetzte, effiziente Chancenverwertung nennt man so etwas wohl.
Dieser für die Hausherren enttäuschendeTreffer führte dann auch zu spontanen "Völkerwanderungen" der anwesenden Fans in Richtung Stadionausgang - sie sollten ihr vorzeitiges Gehen bereuen...
90 Minuten sind gespielt, der Schiedsrichter zeigt drei Minuten Nachspielzeit an...
BU mittlerweile nur noch im "Hail Mary"-Modus mit langen Schlägen in den gegnerischen 16er, zur Verwertung dieser Schläge wurde zwischenzeitlich auch Lasse Keunemann, Statur "Langes Elend" wahlweise "kann aus der Dachrinne saufen", eingewechselt. Ich denke Keunemann wurde beim Schulbasketball mit seinen gefühlten Dreimeterfünfzig Körpergröße immer als Erster gewählt
Wir schreiben die 91. Minute, Flanke von links in den 16er und dann eine unglaubliche Szene, der gegnerische Torwart will den Ball fangen, hat die Kugel eigentlich schon in der Hand und dann springt Keunemann zwischen seinen Händen hindurch dazwischen und köpft die Kugel zum 1:2 in die Maschen

Stellt euch einfach einen Basketballwurf auf den Korb vor, die Hände vom Curslacktorwart sind der Korb und dann streckt Keunemann den Kopf durch den Korb (die Hände des Torwarts) nach oben und köpft das Ding rein. So eine Bude habe ich glaube ich noch nie gesehen

Auf einmal merkt man, huch hier geht ja doch noch was. Nach dem 1:2 segelten dann auch die "Hail Marys" von BU mit deutlich größerer Frequenz in den gegnerischen 16er und als wirklich alle mit dem Abpfiff rechneten noch ein Freistoß aus der eigenen Hälfte von Barmbek.
Langer Ball, natürlich auf Keunemann, der schießt vom 16er, das Ding wird abgeblockt fällt ihm wieder vor die Füße, blitzgescheiter Pass in den 16er auf den freistehenden Labiadh und der schießt halblinks zwölf Meter vor dem Tor stehend das Leder lang in die rechte Ecke und das Teil klatscht vom Innenpfosten abprallend noch zum 2:2 in die Maschen. Für Hamburger Verhältnisse folgte danach ein echter Pornojubel, also zumindest der Fans die nach dem 0:2 in Minute 87 nicht schon das Stadion verlassen hatten

In der Endphase ein wirklich unglaublicker Kick, der zeigt das man Spiele erst verlassen sollte wenn der Abpfiff erfolgt ist
Unterm Strich ein unterhaltsamer Sonntagnachmittag, denke BU werde ich mir in ihrer neuen Heimstädte in Barmbek zeitnah mal wieder anschauen. In Sachen Sponsoring grasen der große HSV und St. Pauli in Hamburg leider alles ab, eine "dritte Kraft" ist nicht in Sicht. Auch für BU ist die Oberliga Hamburg sportlich das höchste der Gefühle. Man darf gespannt sein ob überhaupt ein Club aus der OL Hamburg eine Lizenz für die Regionalliga Nord beantragen wird.
Fazit: Der Kultclub lebt und macht Spaß, ein Groundhopping-Geheimtipp
