Na gut.

Aus der RNZ:
Wie belastbar ist "Hoffes" Distanz zu Roger Wittmann?
Was Sportchef Andreas Schicker dazu sagt, dass der erste Neuzugang Tim Lemperle ein Rogon-Spieler ist, und wie es mit der Talentförderung in Portugal und Brasilien weitergeht.
08.06.2025 UPDATE: 08.06.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden
Roger Wittmann (r.) galt lange als „Einflüsterer“ seines Freundes Dietmar Hopp. Ist es mit dem großen Einfluss des Spielerberaters beim Dorfklub tatsächlich vorbei? Archivbild: imago
Von Nikolas Beck
Sinsheim. Es war ein Paukenschlag zu Ostern. Ziemlich unerwartet bestätigte die TSG Hoffenheim die Abkehr von einem Geschäftsgebaren, das in der Branche seit Jahren ein offenes Geheimnis war, vom Klub jedoch stets gegenüber der Öffentlichkeit, aber auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern abgestritten wurde: Selbstverständlich ging der Einfluss von Roger Wittmann, seit Jahrzehnten ein enger Freund und Geschäftspartner von TSG-Gesellschafter Dietmar Hopp, weit über den eines normalen Spielerberaters hinaus.
Doch damit sollte nun Schluss sein. Überraschend war's allemal, zumal die Geschäftsführung durch ihre angekündigte Distanzierung, als nichts anderes waren die Aussagen damals zu verstehen, überhaupt erst bestätigte, dass die Nähe zu Wittmann und dessen Agentur Rogon sich nicht nur über eine gewachsene Männerfreundschaft definierte.
Treten auch in Sachen Rogon als Einheit auf: Die Hoffenheimer Geschäftsführung mit Tim Jost (v.l.), Frank Briel, dem Vorsitzenden Markus Schütz und Andreas Schicker. Foto: TSG
Zwar fanden so immer wieder Toptalente den Weg in den Kraichgau, die später für millionenschwere Ablösesummen weiterverkauft wurden. Erinnert sei an dieser Stelle an die Namen Joelinton, Firmino und Georginio Rutter.
Doch unter den Deals, die per Gesellschafterbeschluss und bisweilen entgegen der Einschätzung der sportlichen Führung eingefädelt wurden, waren auch immer wieder Spieler, deren millionenschweres Invest keine sportliche Rendite brachte. Zuletzt etwa Attila Szalai oder Mergim Berisha, die am 1. Juli nach Ausleihen zurückkehren werden, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Zukunft bei "Hoffe" haben.
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Wie lukrativ derartige Transfers dagegen stets für die Spielervermittler-Agentur gewesen sein müssen, darüber hat das Fachmagazin kicker vor kurzem berichtet. Laut dessen Recherche sollten alleine beim Kauf Rutters, für den der Dorfverein 2021 860.000 Euro Ablöse an den französischen Klub Stade Reims gezahlt hat, 3,8 Millionen Euro an Provision fließen. Das wären 442 Prozent der Ablösesumme, was unvorstellbar klingt, nicht bestätigt ist - in Hoffenheim aber zumindest vorstellbar war. Bis April.
Gemeinsam mit den Gesellschaftern habe man "entschieden, die intern wie extern bisweilen als problematisch empfundene geschäftliche Beziehung zu bestimmten Spielerberatern auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren", erklärten die Hoffenheimer Geschäftsführer Markus Schütz, Andreas Schicker, Frank Briel und Tim Jost dieser Tage in einem Interview, das im Mitgliedermagazin Spielfeld erschienen ist.
Und weiter: "Jede zukünftige Zusammenarbeit mit Beratern wird einzeln von der Geschäftsführung geprüft und nur dann eingegangen, wenn sie nachweislich dem besten sportlichen und wirtschaftlichen Interesse der TSG Hoffenheim dient, die gute Reputation des Klubs nicht gefährdet und sie dem freien Wettbewerb standhält."
Wie belastbar das Ende der Rogon-Macht, das Hopp also explizit mitträgt, wirklich sein wird, fragten sich Branchenkenner schon im April. Zumal die Frankenthaler Beraterfirma mit Umut Tohumcu, 20, und Erencan Yardimci, 23, zwei der vielversprechendsten Talente des aktuellen TSG-Kaders betreut. Der erste Neuzugang für die neue Saison, Tim Lemperle, ist ebenfalls ein Mann aus dem Rogon-Stall.
Die RNZ hat bei Andi Schicker, seit vergangenem Oktober Sport-Geschäftsführer bei 1899, diesbezüglich nachgehakt. "Roger Wittmann und seine Agentur werden von mir und uns allen genauso behandelt, wie jede andere Spielerberater-Agentur auch", versichert Schicker. "Er hat nach wie vor Spieler bei uns im Verein. Diesbezüglich gibt es einen normalen Austausch mit ihm und seinen Mitarbeitern. Es gibt also keine Sonderbehandlung, sondern einen rein geschäftlichen Austausch wie mit jeder anderen Agentur auch."
Was Wittmann davon wohl hält? Immerhin haben dessen Transfers nichtsdestotrotz jahrelang gewährleistet, dass die TSG, als umsatzschwächerer Bundesliga-Klub nach wie vor in einem strukturellen Defizit, den Spielbetrieb finazieren konnte?
Der 65-Jährige äußert sich gegenüber Medien selten. Eine Anfrage der RNZ ließ Wittmann unbeantwortet. Auch vom Klub gab es keine Auskunft, ob Wittmann auch in der kommenden Saison eine Loge in der PreZero Arena mieten würde. "Wir bitten um Verständnis, dass wir zu vertraglichen Angelegenheiten, dazu gehören auch Logenverträge, keine Auskunft geben können und werden", erklärt Markus Schütz.
Es scheint jedenfalls so, als sei das letzte Wort im nach wie vor nicht ganz durchsichtigen Geschäftsverhältnis zwischen Rogon, Hoffenheimer Spielbetriebs GmbH und deren Gesellschaftern noch nicht gesprochen.
Zumal in den vergangenen Jahren gemeinsam große Anstrengungen unternommen wurden, junge Talente in Brasilien und Portugal zu entdecken und zu entwickeln. Hopps Firma Hobra GmbH & Co. KG hält Mehrheitsanteile am portugiesischen Zweitligisten Académico de Viseu FC in Portugal und dem Viertligisten Barra Futebol Clube aus dem brasilianischen Balneário Camboriú im Bundesstaat Santa Catarina.
Von Académico de Viseu war im vergangenen Sommer der Brasilianer Arthur Chaves nach Hoffenheim gekommen. Geht es nach Hopp - und vermutlich auch Wittmann - sollen in Zukunft weitere folgen.
Welche Auswirkung die Neubewertung der Geschäftsbeziehung des Klubs zu Wittmann auf diese Talentförderung hat, wollte die RNZ von Jörg Albrecht wissen. Also vom Vorsitzenden des e.V., der inzwischen im Rahmen der "50+1"-Regelung formal auch wieder das Sagen bei den Profis hat.
Albrecht: "Die Zusammenarbeit mit Rogon wird derzeit überprüft, auch im Hinblick auf die Aktivitäten in Brasilien und Portugal." Für die internationale Nachwuchsfindung soll offenbar gleiches gelten wie für die Transferaktivitäten der Profis. Jedenfalls erklärt der Vorsitzende: "Ziel ist es, unsere Talentförderung unabhängig und nachhaltig aufzustellen."
Mit oder ohne Wittmann? "Ob und in welcher Form Rogon künftig noch eingebunden ist, wird Teil dieser Bewertung sein", sagt der 56-Jährige.