Der verrückteste Klub in Deutschland kommt aus SchwetzingenVon Wolfgang Brück
Schwetzingen. Wir behaupten mal kühn: So einen verrückten Aufsteiger in die Fußball-Oberliga Baden-Württemberg gab es noch nie, so denn der SV 98 Schwetzingen (morgen, 15 Uhr, im Stadion an der Ketscher Landstraße) im alles entscheidenden Spiel gegen den FV Ravensburg den Sprung schafft.
Schwetzingen - das ist ein Verein, der in der Verbandsliga selten mehr als hundert Zuschauer hat. Selbst das Präsidium scheint nicht sonderlich überzeugt zu sein. Beim 2:1-Sieg im Relegations-Hinspiel in Ravensburg war kein Vorstandsmitglied mit dabei.
Schwetzingen - das ist der Verein, der seit über zehn Jahren von Volker Zimmermann ehrenamtlich trainiert wird. Rudolf Eulner, früher Banker und Abteilungsleiter, hat ausgerechnet: "Volker hat dem Verein Kosten in Höhe einer Eigentumswohnung erspart." Der Sportliche Leiter Alfons Egner meint: "Wären wir in England, hätte die Queen Volker Zimmermann längst geadelt."
Schwetzingen - das ist der Verein, bei dem der Trainer mal eben eine mehrwöchige Auszeit nimmt. Als es im Frühjahr nicht gut lief, übergab Zimmermann an seinen Assistenten Jürgen Strube: "Mach du mal weiter - bis zur ersten Niederlage." Nach einem Sieg und zwei Unentschieden verlor Strube gegen den späteren Meister Bruchsal. Zimmermann kehrte zurück.
Schwetzingen - das ist der Verein, der morgen im alles entscheidenden Spiel gegen den FV Ravensburg auf den Cheftrainer verzichten muss. Bereits letztes Jahr buchte Zimmermann einen Griechenland-Urlaub, jetzt sagt er: "Das habe ich verdaddelt. Es tut mir bitter weh, dass ich am Sonntag nicht da bin."
Schwetzingen - das ist der Verein, der zwei erstklassige Torleute hat. Im Spiel beim VfR Hausen sorgte Sinan Bal mit einer überragenden Leistung fürs Weiterkommen, doch in Ravensburg stand Behruz Yarahamadi im Kasten. Morgen gegen Ravensburg ist wieder Bal an der Reihe. Streit gibt es nicht. Yarahamadi, der einen iranischen Papa und eine deutsche Mutter hat, erklärt: "Wir verstehen uns super. Alle Kollegen sind sehr sympathisch."
Schwetzingen - das ist der Verein, der am Mittwoch in Ravensburg mit einem Phantom antrat. Eigentlich sollte Top-Stürmer Michael Kettenmann am Dienstag aus den USA zurückkehren, doch sein Flugzeug landete erst am Spieltag, um 12.50 Uhr, in Frankfurt. Bei den verzweifelten Versuchen, ihn zu erreichen, sprang nur die Mailbox an. Alfons Egner schickte sogar einen Mitarbeiter zu den Kettenmanns nach Eppelheim. Die Rollläden waren unten. Der Trainer schrieb Kettenmann trotzdem auf den Spielberichtsbogen. Die Ravensburger zitterten vor einem Phantom.
Morgen ist Kettenmann wieder dabei. Doch Kapitän Steffen Kohl bittet, nicht immer nur von einem Spieler zu reden. "Unsere Stärke ist die mannschaftliche Geschlossenheit", sagt er.
Und ein unbändiger Kampfeswillen. "Eigentlich sind der VfR Hausen - gegen den südbadischen Vize setzte man sich mit einem 4:2 und 0:1 durch - spielerisch besser", meint Strube, der morgen Chef ist, "aber wir haben das mit Einsatz wettgemacht. Die Mannschaft hätte endlich mal eine Kulisse von über tausend Zuschauern verdient."
Ein Aufstiegs-Spezialist ist Marcel Löbich. Schon in der Jugend stieg er mit Schwetzingen auf, später mit dem Karlsruher SC und dem SV Sandhausen. Morgen kann der robuste Freistoß-Spezialist seinen vierten Coup landen.
Selbst bei einer 0:1-Niederlage wäre man durch. Bei einem Unentschieden oder einem Sieg sowieso. Und die Oberliga wäre um eine der verrücktesten Mannschaften Deutschlands reicher.
http://www.rnz.de//regionalsport/00_201 ... mt_au.html