SV WALDHOF
HISTORIE 1972 SCHAFFTEN DIE MANNHEIMER DEN AUFSTIEG IN DIE ZWEITKLASSIGKEIT IN EINER VIERER-RUNDE MIT FINALEM ENTSCHEIDUNGSSPIEL
Waldhof kann auch Relegation
23. Mai 2018Autoren: Andi Nowey , Andi Nowey (wy)
Flugkopfball ins Glück: Waldhof-Torjäger Bernd Bartels erzielte 1972 nach 58 Minuten das entscheidende 1:0 im Entscheidungsspiel gegen den FC Singen.
© Gayer
MANNHEIM.Das Spannungsfeld zwischen finanziellem Kollaps und der sportlichen Perspektive, endlich wieder auf die nationale Fußball-Bühne zurückzukehren, ist dem SV Waldhof nicht erst seit seiner Zeit in der Regionalliga vertraut. Auch in den 70er Jahren, als die Blau-Schwarzen in der 1. Amateurliga aktiv waren und damit der dritthöchsten Spielklasse angehörten, führten die Waldhöfer einen Überlebenskampf auf des Messers Schneide, der von einer weiteren Parallele zur aktuellen Situation geprägt wurde: Auch hier genügte die Meisterschaft noch lange nicht, um in die damalige Regionalliga Süd aufzusteigen. Schon vor 36 Jahren stand auf dem Weg nach oben das ungeliebte Nadelöhr Relegation.
„Wir sind mit großem Vorsprung Meister geworden und hatten die meisten Tore geschossen“, erinnert sich Günter Sebert, der damals für die Blau-Schwarzen spielte. Während Hessen und Bayern ihre Meister ohne Umschweife in die damalige Regionalliga Süd entsandten, musste in Baden-Württemberg aufgrund der Viergleisigkeit ein Aufsteiger aus vier Ligen bestimmt werden. In dieser Relegation hießen die Gegner FC Singen 04 (Schwarzwald-Bodensee-Liga), SSV Ulm 1846 (Württemberg) und FC Rastatt 07 (Südbaden). Zum Auftakt sahen 18 000 Zuschauer, darunter etwa 3000 mitgereiste Ulmer, ein sehr kampfbetontes, anfangs allzu hartes und hektisches Spiel, das Waldhof gegen die „Spatzen“ am Ende durch Tore von Bernd Rudolph und zweimal Bernd Bartels mit 3:1 für sich entschied.
Punktgleich mit Singen
„Es war schon sehr strapaziös. Wir haben das Training entsprechend reduziert“, hat Sebert die Wochen der Saisonverlängerung noch gut in Erinnerung. „Wir mussten mit unseren Kräften haushalten.“ Nur wenige Tage nach dem Auftakterfolg ging es zum FC Rastatt 07, wo sich die Blau-Schwarzen nach einer 2:1-Führung am Ende mit einem 2:2 zufriedengeben mussten.
Zum Abschluss der Hinrunde war der SV Waldhof beim FC Singen 04 gefordert. Nach einem Spiel voller Dramatik und unter leidenschaftlicher Anteilnahme der 12 000 Zuschauer – etwa 2000 Waldhof-Fans waren mitgereist – landete der Singen einen knappen, aber verdienten 1:0-Sieg. Im Rückspiel behielten die Mannheimer aber durch zwei Bartels-Tore mit 2:0 die Oberhand.
In der vorletzten der sechs Partien gegen den FC Rastatt hatte nach einer halben Stunde Spielzeit wohl keiner der 10 000 Besucher der schwach startenden Waldhof-Mannschaft sechs Treffer zugetraut, doch nach Günter Seberts Dosenöffner klingelte es insgesamt ein halbes Dutzend Mal im Gehäuse der Südbadener. Eine Woche später konnten die SVW-Fans die Befürchtungen, in Ulm einen Aufstiegskampf auf Biegen und Brechen liefern zu müssen, frühzeitig ablegen. Nach elf Minuten stand es bereits 2:0, zur Halbzeit gar 4:0 für Waldhof.
Nur da Trainer Klaus Sinn die Devise ausgab, in Anbetracht des aufgrund der Punktgleichheit zum FC Singen 04 bevorstehenden Entscheidungsspiels um den Aufstieg einen Gang zurückzuschalten, endete die Partie für die Ulmer mit 2:5 noch erträglich. Mit 9:3 Punkten lagen der SV Waldhof und der FC Singen 04 in der Abschlusstabelle dieser Aufstiegsrunde gleichauf, das Torverhältnis und auch der direkte Vergleich hätten für die Blau-Schwarzen gesprochen. Doch die Statuten waren eindeutig: Während Bundesligameister und -absteiger (auch) über das Torverhältnis ermittelt wurden, mussten in der 1. Amateurliga die beiden punktgleichen Mannschaften in ein Entscheidungsspiel. Nahezu 15 000 Zuschauer im ausverkauften Offenburger Stadion waren Zeuge eines Spiels, das an kämpferischem Einsatz und Dramatik auf beiden Seiten nichts zu wünschen übrigließ.
Und wieder trifft Bartels
„Es war im Grunde ein Heimspiel. Es war eine wahre Völkerwanderung von Mannheim nach Offenburg“, erinnert sich Sebert. Das einzige Tor schoss Waldhofs Schütze vom Dienst Bernd Bartels acht Minuten nach dem Seitenwechsel. Der Aufstieg in die Regionalliga war perfekt. Nach einem vergeblichen ersten Versuch im Jahr 1971, glückte den Blau-Schwarzen also der Aufstieg im zweiten Anlauf. Ein gutes Omen für die Spiele gegen Uerdingen?
© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 23.05.2018
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