Relegation: Der Waldhof-Torhüter Scholz: "Jetzt erst recht"
16. Mai 2018Autor: Claudio Palmieri (cpa)
Markus Scholz ist seit drei Jahren der große Rückhalt im Tor von Fußball-Regionalligist SV Waldhof.
© Binder
MANNHEIM.Mit einem lauten „Mahlzeit!“ betritt Markus Scholz die Geschäftsstelle des SV Waldhof zum Interviewtermin. Im Gespräch mit dieser Zeitung blickt der bestens gelaunte Torhüter des SV Waldhof auf das dramatische Elfmeterschießen beim SV Meppen vor einem Jahr zurück. Den letzten Rest an Ärger über den Play-off-Ausgang 2017 münzt „Scholle“, der am Donnerstag seinen 30. Geburtstag feiert, schnell in Entschlossenheit um.
Herr Scholz, der Sprung in die Relegation ist geschafft. Danach sah es ja zwischenzeitlich nicht aus . . .
Markus Scholz: Das war natürlich das Ziel, das zwischendurch nicht absehbar war, weil wir einen gewaltigen Hänger hatten. Die Erleichterung ist umso größer, zumal wir es zeitig geschafft haben.
Gab es einen Knack- oder Wendepunkt, einen Schlüsselmoment?
Scholz: Spontan fällt mir nur der Winter mit dem Trainerwechsel ein, mit dem sich auch die Spielphilosophie ein bisschen geändert hat. Wir konnten das in meinen Augen wichtige Trainingslager recht verletzungsfrei absolvieren und viel einstudieren.
Der unvermittelte Trainerwechsel im Winter hat das Team nicht vom Weg abgebracht . . .
Scholz: Nein. Unabhängig davon, wer Trainer ist, haben wir eine gewisse Qualität in der Mannschaft. Man hat auch ein gewisses Maß an Eigenverantwortung. Das durfte uns nicht aus der Bahn werfen. Im Winter haben wir es geschafft, diese Qualität wieder auf den Platz zu bringen.
Und vorher?
Scholz: Das ist ja immer die berühmte Frage: Woran hat’s gelegen? Wenn ich das wüsste, hätten wir es schon vorher abgestellt.
Jetzt geht es zum dritten Mal in Folge in die Relegation - das ist schon eine besondere Situation.
Scholz: Klar, die Vorfreude ist da - aber ich persönlich gehe nach den letzten zwei Jahren mit einer gehörigen Portion Demut in diese Spiele. Erst einmal muss man der Mannschaft ein Lob aussprechen, dass wir es überhaupt wieder geschafft haben - und an die Fans, die uns dahingetragen haben. Wir wissen, was wir wieder für ein Faustpfand haben werden mit dem vollen Carl-Benz-Stadion. Auch auswärts werden Tausende mitkommen und uns hervorragend unterstützen.
Ist Trauma in Zusammenhang mit der Relegation ein böses Wort?
Scholz: Trauma würde ich das nicht nennen. Es sind schon schmerzhafte Erfahrungen, aber wir haben im Sommer wieder so viele neue Spieler dazubekommen, dass das keine große Rolle mehr spielen sollte. Und die, die das schon zweimal miterlebt haben - irgendwann hat man den Kanal voll und will es endlich packen. Jetzt erst recht!
Können Sie sich beim Rückblick auf die Play-off-Spiele 2016 und 2017 groß etwas vorwerfen?
Scholz: Die Wochen danach waren hart für mich. Man hat hin und her überlegt, was man anders hätte machen können - eine andere Bewegung, und vielleicht hätte es gereicht. Man spielt einiges im Kopf durch. Mit dem Start der neuen Saison geht es dann aber wieder Schlag auf Schlag.
Wie schüttelt man denn so ein sportliches Negativerlebnis ab?
Scholz: Fußball war erst einmal tabu. Ich habe mich mit meiner Freundin zurückgezogen, Familienurlaub gemacht - einfach mal abschalten, bloß keine Erinnerungen aufkommen lassen und den Kopf frei kriegen.
In beiden Jahren ist dem SV Waldhof kein Relegationstor gelungen . . .
Scholz: Das ist der Punkt. In vier Spielen waren genug Chancen da, um jeweils die Spiele zu gewinnen oder zumindest das wichtige Auswärtstor zu schießen. Ansonsten sind die Jungs aber sprichwörtlich um ihr Leben gerannt, haben alles gegeben. Bis auf die Tatsache, dass man das Spielglück nicht hatte, dass mal einer reinrollt, kann man keinem einen Vorwurf machen.
Das ist eine durchaus tröstliche Erkenntnis, oder?
Scholz: Es wäre einfacher zu verarbeiten gewesen, wenn wir in beiden Spielen die deutlich schlechtere Mannschaft gewesen wären. In meinen Augen waren wir letztes Jahr sogar einen Tick besser und hatten die besseren Chancen, das Quäntchen Glück hat aber gefehlt. Man muss aber auch den Meppenern Respekt zollen. Sie haben sich überall reingeworfen. Es war letztlich sehr unglücklich aus unserer Sicht.
Wie war es, beim Elfmeterschießen zwischen den Pfosten zu stehen und zu wissen: In meinen Händen liegt eventuell der Erfolg einer ganzen Saison?
Scholz: In dem Moment darf man sich darüber keine Gedanken machen. Man versucht, seine Aufgabe zu machen, nämlich den Ball zu halten. Eine solche Situation hat eher eine belebende Wirkung. Man hat den berühmten Tunnelblick. Wenn es nicht klappt, wie es in unserem Fall war, kann man sich hinterher immer noch genug ärgern.
Der SV Waldhof ist ja ein Stück weit das Symbol dieses verflixten Relegationsmodus’ . . .
Scholz: Für die letzten zwei Jahre muss man ja sagen, dass wir eher Profiteur waren, weil wir als Zweiter noch reinrutschen durften. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn es gleich im ersten Jahr als Meister geklappt hätte. Die anderen Teams müssen aber auch da durch.
Die Fan-Begeisterung ist jedenfalls riesig, das CBS fast ausverkauft. Das muss gewaltig pushen . . .
Scholz: Ich hoffe, dass wir ein bisschen Euphorie entfachen konnten und ein volles Stadion haben werden. Davon gehe ich aber fest aus. Wenn man auch auswärts gefühlt ein Heimspiel haben kann, ist das schon ein gewaltiges Plus.
Was spricht für diese Mannschaft?
Scholz: Wir haben einfach einen brutalen Zusammenhalt. Seitdem ich hier, haben wir es geschafft, jedes Jahr eine Truppe zusammenzustellen, die harmoniert - so etwas habe ich vorher noch nie erlebt. In gewissen Punkten sind wir vielleicht nicht die beste Mannschaft der Liga, aber wir machen das durch das Zwischenmenschliche und weil wir als Team auftreten wieder wett. Wir sind ein Team.
In den Vorjahren hatte der SVW mit Hanno Balitsch und Michael Fink große Namen im Kader, in diesem Jahr nicht. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?
Scholz: Für den einen oder anderen kann das auch eine Befreiung sein, weil man sich selbst mehr in den Vordergrund rücken kann. Vielleicht kommt das ja in den nächsten zwei Wochen positiv zum Tragen.
Play-off-Gegner KFC Uerdingen hat mit Ex-HSV-Stürmer Maxi Beister und Trainer Stefan Krämer gleich zwei solcher Zugpferde.
Scholz: Unabhängig davon, wer dort Trainer ist, ist das eine für Regionalliga-Verhältnisse brutal gut aufgestellte Truppe. Von den Namen her hat das eigentlich nichts mehr mit vierter Liga zu tun. Sich gegen eine qualitativ so gute Mannschaft wie Viktoria Köln souverän durchzusetzen - das zeugt schon von einem gewissen Potenzial. Aber wir wissen auch, was wir können.
Was wird den Ausschlag geben? Kampfspiele werden es wohl so oder so.
Scholz: Ich glaube, alle Relegationsspiele haben gezeigt, dass es ganz schwer tagesformabhängig ist. Man kann nicht sagen: Eine Mannschaft ist so viel besser, die muss sich durchsetzen. Die Mannschaft, die die bessere Form und das Quäntchen Glück hat, wird es machen.
Wie geht es bei Ihnen persönlich weiter?
Scholz: Ich habe im März bis 2020 verlängert - ligaunabhängig. Wenn es nicht klappt, nehme ich den Angriff noch mal mit dem Verein. Wenn es klappt, umso schöner. Aber ich bin hier.
© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 16.05.2018
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