Presse, 27.12.2010

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Presse, 27.12.2010

Beitragvon immer-SVW » 28.12.2010, 01:21

Ramoney hat geschrieben:Schlappner und die Waldhof-Buben

„Schön war die Zeit“ – Erinnerungen an ehemalige Fußball-Bundesligisten: Heute SV Waldhof Mannheim

Mit dem SV Waldhof Mannheim starten wir unsere Serie „Schön war die Zeit“, in der wir an ehemalige Bundesligisten erinnern und unter die Lupe nehmen, die längst von der Landkarte des großen Fußballs verschwunden sind.

Jetzt haben sie wenigstens wieder einen Präsidenten. 23 Monate lang war das Spitzenamt beim SV Waldhof Mannheim vakant, ehe die Mitglieder am 16. Dezember den 47-jährigen Unternehmer Steffen Künster mit großer Mehrheit wählten. Künster leitet einen Fußball-Oberligisten, der mit geschätzten vier Millionen Euro verschuldet ist.

Der SV Waldhof Mannheim steckt in einer tiefen Krise. Mal wieder. Oder immer noch. Wie man es nimmt. Seit die Mannheimer 1990 aus der Bundesliga abgestiegen sind, ist der Waldhof zum Krisengebiet geworden, fußballerisch und wirtschaftlich. „Es ist bereits fünf nach zwölf“, hat der neue Präsident bei seinem Amtsantritt verkündet.

Beim Ex-Bundesligisten berufen sie sich immer gerne auf die Tradition. Und die hat der 1907 gegründete SV Waldhof aus dem gleichnamigen Arbeiter-Stadtteil, der seine Spiele anfangs auf einem Platz namens „Schlammloch“ austrug, reichlich zu bieten. Sepp Herberger verdiente sich im Waldhof-Trikot seine ersten Sporen. Später stand der Name des Vereins gar für eine ganze Generation deutscher Vorstopper. Die Brüder Karlheinz und Bernd Förster, Jürgen Kohler, Christian Wörns – „Made in Mannheim“ war eine Zeit lang ein Gütesiegel für deutsche Abwehrspieler.

Klaus Schlappner steht bis heute wie kein anderer für die kurze Mannheimer Erfolgsstory. Der gebürtige Kurpfälzer – Markenzeichen: Pepitahut, Schnauzbart und ein lockere Sprüche – hatte die Mannschaft 1983 überraschend in die Bundesliga geführt. Neun Spieler im 20-Mann-Kader stammten aus der eigenen Jugend. Der Begriff der Waldhof-Buben, der eigentlich noch aus den Kriegsjahren stammte, wurde wiederbelebt. Spieler wie Maurizio Gaudino, Fritz Walter, Alfred Schön, Roland Dickgießer, Günter Sebert und Karl-Heinz Bührer begannen, die Liga aufzumischen. Der junge Jürgen Kohler kam dazu. 1985 verpassten die Waldhöfer nur wegen der schlechteren Tordifferenz den UEFA-Cup. „Wir haben mit dem gelebt, was möglich war“, blickt Schlappner zurück. Wenn Geld fehlte, wurden Spieler verkauft, so wie 1986, als Dieter Schlindwein nach Bremen ging. „Ich habe gesagt: Wenn der Dieter bleibt, werden wir Achter, wenn er geht, werden wir Neunter“, erinnert sich Schlappner. Also nahm der Waldhof lieber das Geld.

Dann aber wollten die Mannheimer höher hinaus, trennten sich nach sieben Jahren 1986 vom Handwerksmeister Schlappner, der mit seiner urigen Art und seinem kurpfälzer Dialekt für Bodenständigkeit und regionale Ausrichtung stand. Mit Schlappners Abgang zerbrach das Team. Statt aufwärts ging es abwärts. 1990 stiegen die Waldhöfer aus der Bundesliga ab. Was danach alles schief lief , erfuhr Schlappner am eigenen Leib, als er 1996 noch einmal für einige Monate als Trainer beim Zweitligisten einsprang. „Da saßen mehr Berater in der Kabine als Spieler. Statt des Machbaren mussten es nun plötzlich Visionen sein. Doch diese Visionen waren nur Spinnereien, Luftschlösser“, schimpft Schlappi noch heute über die „Goldketten- und Trenchcoat-Träger“, die in der Waldhof-Geschäftsstelle damals ein- und ausgingen.

Mit dem Abstieg aus der zweiten Liga 2003 kam der große Knall. Keine Lizenz für die Regionalliga, Insolvenz, Absturz in die Oberliga. Gelernt hatten sie in Mannheim daraus aber nichts. Beim viertklassigen Klub bedachte nun der als Vorstandsberater engagierte Rüdiger Lamm Ex-Profis wie Christof Babatz, Dennis Weiland und der frühere Schweinfurter Erwin Melunovic mit fetten Gehaltsschecks.

Dass es nicht längst zu einer zweiten Insolvenz gekommen ist, verdanken die Waldhöfer ausgerechnet Dietmar Hopp. Der Mäzen des benachbarten und auf Waldhof ungeliebten Fußball-Emporkömmlings 1899 Hoffenheim rettete den Traditionsklub mehrfach mit seinen Finanzspritzen. Den Milliardär hatte der junge Präsident Mario Nöll für ein Engagment beim Waldhof erwärmt. Nölls Mutter hatte als Lehrerin einst einen Hopp-Sohn unterichtet. Die Hoffenheimer spielten – gegen eine fette Mietzahlung – ihre erste Halbserie als Bundesligist im Waldhof-Stadion, weil das eigene Stadion nicht rechtzeitig fertig wurde. Die Freundschaft zerbrach 2008, als Hopp zu mutmaßen begann, dass auf dem Waldhof seine Gelder zweckentfremdet würden. Die nächste Darlehenszahlung floss auf ein Treuhänderkonte. Nöll, ein promovierter Jurist, drohte damit, Hopp zu verklagen. Hopp empfahl Nöll den Gang zum Psychiater. Der Millardär gewann den Machtkampf, Nöll trat Anfang 2009 zurück.

Vergangene Saison bekamen die Waldhöfer mal wieder keine Regionalliga-Lizenz. Heute kicken sie fünftklassig, liegen in der Oberliga Baden-Württemberg nur auf Rang zwei, fünf Punkte hinter dem FC Nöttingen, einem Verein aus einem 2500-Seelen-Dorf. Den Traum vom Profi-Fußball träumen sie am Waldhof aber immer noch, trotz hoher Schulden. Sie setzen dabei auf ihre Tradition. Aber die schießt bekanntlich keine Tore. Geld schon eher. Aber davon haben sie derzeit nicht viel.


Quelle: http://www.mainpost.de/sport/Ueberregio ... 26,5896210
Nicht nach hinten, nur nach vorne geht der Blick. Waldhof in Liga 2.
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